Getagged: Umstrukturierung

Der Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid

Lieber Chef vom Ganzen. Ich werde bald umstrukturiert. Eine inhaltliche Neuorientierung wie auch eine Selbständigkeit reizen mich sehr, ich muss aber drei Töchter co-ernähren. Ich hätte ein Angebot, in ähnlichem Umfeld weiterzuarbeiten. Mit einem reduzierten Pensum und damit Ressourcen für sanften Einstieg in die Selbständigkeit könnte ich mir das grundsätzlich vorstellen. Funktioniert eine solche halb-halb-Strategie oder betrüge ich mich selbst? Brauche ich einen (zweiten) Tritt in den Hintern für einen Herzentscheid oder ist diese Risikominimierung positiv-vernünftig? Merci für Weisheit vom Ganzen. Reto (40), Geschäftsführer

Lieber Reto

Der vielleicht grösste Fehler beim Pokern ist mitzuspielen. Vor allem Anfänger gehen und bieten zu oft mit. Auch mit schlechten Karten. Weil sie pokern wollen. Profis verwerfen 90 und mehr Prozent ihrer Karten. Die grosse Kunst heisst warten. Warten auf echte Chancen. Mathematische. Taktische. Psychologische. Den Rest besorgt die Glücksfee.

Genau so verhält es sich mit der beruflichen Selbständigkeit. Sie sollten kein Unternehmen gründen, weil Sie ein Unternehmen gründen wollen. Das scheitert meist bei der Suche nach einem guten Namen, einem Logo und spätestens bei der Homepage. Weil Sie nicht wissen, was sie schreiben sollen. Wie auch, wenn Sie nicht einmal wissen, wem sie was verkaufen wollen.

Ein (warum eigentlich) reduziertes Pensum in ähnlichen Umfeld annehmen und sich währenddessen auf die Suche nach einer guten Geschäftsidee machen, klingt positiv-vernünftig. Und ist es auch. Viel besser als ein Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid alles auf Nichts zu setzen.

Im Rahmen Ihrer inhaltlichen Neuorientierung werden Sie irgend wann auf etwas stossen, das gleichzeitig Ihre Leidenschaft und bei anderen Menschen Bedürfnisse weckt. Genau dann spielen Sie mit. Erhöhen den Einsatz. Und setzen alles ein. Ihre Zeit, Ihr Geld, Ihre Kraft. Den Rest besorgt die Glücksfee. Und falls Ihnen gar nichts in den Sinn kommt, fragen Sie Ihre drei Töchter wofür Sie gerne Geld ausgeben. Ich bin sicher, irgend etwas davon wird Ihnen Spass machen.

Mit Royal Flush
Ihr Chef vom Ganzen

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Die lahme Ente

Lieber Chef vom Ganzen. Knapp vor der magischen 50er-Grenze kann ich mich beruflich noch einmal verbessern und habe einen neuen Job ergattert. Diesen werde ich allerdings erst in einem Jahr antreten, weil meine künftige Firma gerade in Umstrukturierungen steckt. Ich habe eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Aus Fairness gegenüber meinem heutigen Arbeitgeber würde ich gerne schon heute klar Schiff machen. Meine Kollegen raten ab. Sie sagen, ich sei danach im Betrieb eine Lame Duck. Was meinen die damit und was droht mir da? Tobias W., 49. Bereichsleiter Logistik

Lieber Tobias

Ihnen droht das gleiche Schicksal wie George W. Bush 2008 und Bill Clinton 2000. Als Lame Duck («lahme Ente») wird im US-Wahlsystem bezeichnet, wer in absehbarer Zeit aus seinem Amt scheidet. Weil er seine Wiederwahl verloren hat, nicht mehr wiedergewählt werden darf oder auf eine Wiederwahl verzichtet. Eine Lame Duck gilt als eingeschränkt handlungsfähig.

Anders gesagt: Niemand legt die Hand ins Feuer für jemanden, der das Feuer bald selber löscht. Ausser für Ottmar Hitzfeld. Und auch das nur, weil ihm die WM in Brasilien zu Füssen liegt. Ihre Kollegen haben Recht. Wird Ihr neuer Job publik, stehen Sie im Abseits. Und erhalten kaum mehr einen brauchbaren Pass. Werden vielleicht sogar ausgewechselt und schmoren die letzten Monate auf der Ersatzbank. Oder werden gekündigt.

Ihre wahrscheinlich beste Option: Sie könnten kurz vor der magischen 50er-Grenze endlich nackt durch Thailand trampen, den Highway-Number-One auf einer Fat Boy runterbrettern, mit der Familie eine halbes Jahr in den Yukon auswandern. Oder sich einen anderen lang gehegten Bubentraum erfüllen.

Sie halten mit Infos zu Ihrem neuen Job so lange wie möglich zurück. Oder kündigen sofort. Und lassen ihren Träumen Flügeln wachsen. Es ist Ihr Leben. Quack!

Mit geflügelten Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen