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Ein Tritt in den Hintern
In den letzten Jahren ist es beruflich bei mir etwas festgefahren – Sie verstehen wahrscheinlich ganz gut, was ich damit meine. Guten Ideen – auch für eine evtl. Selbständigkeit – hätte ich zwar genug, was mir aber immer ein bisschen Probleme bereitet, ist die Umsetzung. Wahrscheinlich fehlt es neben der ganzen Kreativität ein bisschen an Struktur, vielleicht auch an Macherqualitäten. Doch warum sollte ich diese bei mir nicht entdecken? Da ich nun aber gelesen habe, dass man als Selbständiger am Anfang das Meiste selbst und das auch ständig machen muss, mache ich mir dann doch noch etwas Sorgen. Ausserdem meinten schon viele meiner Freunde, dass ich einfach zu gut für diese Welt wäre, was doch eher schlecht für die Businesswelt ist. Trotzdem würde auch ich gerne mal den Ton angeben, besonders weil zu Hause die erste Geige schon jemand anderes spielt. Was soll ich machen? Können Sir mir einen Rat, etwas Mut oder auch einen verbalen Tritt in den Hintern geben? Thomas, 37 Jahre
Lieber Thomas
Es waren einmal zwei Mäuse. Beide wurden in einen Topf mit Sahne geworfen. Die eine Maus strampelte und strampelte aber gab bald auf und ertrank. Die andere strampelte so lange, bis sich die Sahne in Butter verwandelte und kletterte raus.
Beim Schritt in die Selbständigkeit geht es viel weniger um Ideen oder Kreativität oder Struktur oder Gutmütigkeit oder erste Geigen, sondern ums Strampeln. Sie können aus jeder halbwegs vernünftigen Geschäftsidee ein florierendes Business machen. Suchen Sie nicht zu weit. Beginnen Sie mit dem, was Sie verdammt gut können. Haare schneiden, Blumen binden, Autos reparieren, Gipfeli backen, Kleider nähen, Werbetexte auf Französisch übersetzen, Kinder hüten, Olivenöl anbauen, Taxi fahren, Kaffee kochen, Hamburger brutzeln.
Wenn Sie länger strampeln als die anderen, werden Sie als Sieger aus dem Topf steigen. Die Frage ist, was Sie zum Strampeln bringt. Und wie Sie strampeln. Zuerst zum was: Im Moment denken Sie zu viel nach. Über diese Idee und jene Möglichkeit und das könnte ich noch machen und das wäre auch noch interessant. Entscheiden Sie sich für etwas. Aus dem Bauch heraus. Aus dem Moment heraus. Geben Sie sich den Startschuss.
Dann strampeln Sie. Und zwar so: Sie nehmen den vermaledeiten Telefonhörer in die Hand und rufen ein paar Leute an, von denen Sie glauben, dass Sie bei Ihnen bestellen könnten. Und zwar noch bevor Sie ein Logo machen oder eine Broschüre zusammenbrünzeln. Definieren Sie drei, vier, fünf Wunschkunden und telefonieren Sie. Erzählen Sie denen, was Sie vorhaben anzubieten. Hören Sie gut zu. Die werden Ihnen 1:1 sagen, was an Ihrem Angebot interessant ist und wo noch Erfolgsreserven liegen.
Jetzt richten Sie Ihr Business nach den Bedürfnissen dieser Kunden aus und finden weitere Kontakte, die genau dasselbe wollen. Sobald Sie die ersten Aufträge erledigt haben, holen Sie Feedback ein, stellen das auf Ihre Website und schicken Mailings mit dem Link darauf an weitere Wunschkunden. Dann telefonieren Sie diese ab und vereinbaren einen Termin.
Es klingt so einfach. Und das ist es auch. Alle, die Ihnen etwas anderes erzählen, sind Angsthasen, Pessimisten, Neider oder andere Mäuse, die in der Sahne ersaufen.
Im Strampelanzug
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Andrius Petrucienia (CC BY-SA 3.0)
Wie werde ich Chef?
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin Sachbearbeiter in einem KMU mit 40 Leuten und stehe irgendwo in der Mitte der Hierarchie. Das heisst: Ich kann den Stift schicken, ùm Gipfeli zu holen, aber bei Sitzungen mit dem Kader muss ich meistens das Protokoll schreiben, wenn keine Sekretärin da ist. Meine Frage ist kurz und einfach: Wie werde ich Chef vom Ganzen? P. Geiger (29), Sachbearbeiter
Lieber Herr Geiger
Es beginnt damit, dass Sie die Gipfeli selber backen. Damit beeindrucken Sie Ihren Stift, das Kader und entwickeln das, was einen Chef ausmacht: Eigeninitiative.
Und gleich noch ein Tipp: Schreiben Sie das Protokoll fortan auch dann, wenn Ihre Sekretärin anwesend ist. Denn das Protokoll ist ein nicht zu unterschätzendes Macht- und Steuerinstrument. Anhand dessen lassen sich Sitzungen lenken und Entscheidungen herbeiführen. Es kommt darauf an, was Sie aus der Rolle des Protokollführers machen.
Sie ahnen es bereits. Chef sein hat mit Macht und Autorität zu tun. Und diese müssen Sie sich zuerst erarbeiten. Natürliche Autorität erhalten Sie, wenn Sie in den Augen Ihrer Mitarbeiter etwas besser können. Dann folgen sie Ihnen, weil sie darauf vertrauen, dass Sie es am besten drauf haben. Es lebt sich gut im Windschatten eines Siegers.
Streichen Sie Ihre Erfolge beim Kader hervor und machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Komplizen. Die Treppe nach oben führt über die Schultern Ihrer Mitarbeiter. Wenn Sie es schaffen, dass Ihnen Gretel in den Wald folgt, haben Sie das Zeug zur Märchenkarriere.
Oder Sie gehen zurück auf Start. Als Gründer eines eigenen Unternehmens. Dann bestimmen Sie ab sofort alleine. Ohne Protokoll. Und die übrigen Gipfeli vom Frühstück essen Sie dann zum Znacht. Das Jungunternehmertum ist die Alternative zur Karriere als Konzernsoldat. Und macht aus eigener Erfahrung unheimlich viel Spass. Das Einzige, was Sie dazu brauchen, ist eine Idee, etwas Mut und einen Schuss Wahnsinn. Oder wie Steve Jobs es sagte: «Because the people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.»
Grosse Worte. Allerdings. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Meist liegen die Ideen näher als Sie glauben. Google, Facebook und Apple sind Ausnahmen. Sie können auch mit Hamburgern oder Kaffee erfolgreich sein. Die Frage ist, was Sie daraus machen.
Mit unternehmerischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Der Spitzbub
Lieber Chef. Ich arbeite seit 25 Jahren als Bäcker/Konditor. Ich mache Gipfeli und Weggli und Spitzbuben für einen Lohn von 4490.-/Monat. Jetzt möchte ich mich gerne neu orientieren. Mir schwebt Folgendes vor: Ich will etwas importieren oder herstellen, das es in der Schweiz noch nicht gibt und das alle gerne hätten. Ich wäre dann selbständig und mein Geschäft würde praktisch von selber laufen, weil ich dieses Ding dann nur noch verschicken muss. Also gerade das Gegenteil von den Weggli, die ich jeden Tag neu machen muss, weil sie die Leute ja immer wegessen. Leider weiss ich nicht, was dieses Ding sein könnte. Haben Sie eine Idee? René (43), Bäcker/Konditor
Lieber René
Gipfeli ist nicht gleich Gipfeli. Das wusste vor mehr als 40 Jahren schon Fredy Hiestand. Der arbeitete nach der Bäckerlehre zuerst als Taxifahrer, hörte auf zu rauchen um noch mehr Geld zu sparen und eröffnete 1967 mit dem ersparten Geld und einem 5000-Franken-Darlehen vom Götti in einer ausgedienten Wäscherei seine erste Bäckerei. Der Rest ist tiefgekühlte Geschichte. 300 Millionen Umsatz und 1800 Mitarbeiter.
Ob man Spitzbuben auch tiefkühlen kann, weiss ich nicht. Aber was ich weiss, ist, dass Sie unbedingt das tun sollten, was Sie am liebsten tun. Und das ist nicht Geld verdienen. Denn das tun nur die Banker in der Schweiz. Geld verdienen per se ist kein Tun. Geld verdienen ergibt sich erst aus Ihrem Tun, wenn es denn ein erfolgreiches Tun ist.
Im Moment tun Sie es für jemand anders. Um das zu ändern, brauchen Sie eine Idee. Und die liegt meist näher als Sie denken. Warum wollen Sie irgendein Ding importieren, wenn Sie es selbst backen können? Warum machen Sie es nicht genau umgekehrt und exportieren ein Ding, das die Leute immer wegessen? Und das Sie jeden Tag neu machen müssen?
In Griechenland, Portugal, Italien und Spanien essen sie hartes Brot. Nicht nur wegen dem Euro. Die wissen einfach nicht wie man gutes Schweizer Brot macht. Da könnten Sie wunderbar auftrumpfen mit Ihren Gipfeli, Weggli und Spitzbuben. Da könnten Sie irgendwo an einem schönen Ort am Meer ihre eigene Bäckerei aufmachen, wenn das ihr Ding ist, oder bestehenden Bäckereien Ihre Rezepte verkaufen.
Was Sie machen müssen, ist kein Businessplan. Sondern Urlaub. Und zwar da, wo es Ihnen wirklich gefällt. Und einfach mal mit allen Brotmachern, die Sie antreffen, ins Gespräch kommen. Dort werden Sie mehr über Ihr zukünftiges Business erfahren als an jedem Businessplan-Workshop.
Den Fünfer und das Weggli wünscht Ihnen
Ihr Chef vom Ganzen