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Wie mache ich mich fit für die Selbständigkeit?
Ich möchte abseits meines (repetitiven) Bürojobs als Angestellte zumindest einen Teil der Ideen, die ich im Kopf habe, endlich umsetzen und damit meinem Ziel näherkommen, vom Ausland aus selbstbestimmt zu arbeiten. Als frühere (Fastprofi-)Spielerin kenne ich mich in der Tennisszene gut aus und bin auf einen Amerikaner aufmerksam geworden, der ein spezielles Fitnessprogramm inklusive Trainingszubehör anbietet – früher auch per DVD (die mir vorliegt) mittlerweile nur noch in seinen Studios in den USA. Ich bin von dem Programm überzeugt, würde es gerne in Europa bekannt machen und natürlich auch gerne finanziell partizipieren. Was raten Sie mir? Zunächst: wie kontaktiert man diesen Amerikaner am besten? Hat man in solchen Fällen als Einzelperson überhaupt eine Chance oder muss man sich als Unternehmen „darstellen“? Sollte ich versuchen, die DVDs in Europa per Internet als alleiniger Anbieter zu vertreiben (mit Versand aus Deutschland)? Werbung dafür könnte über Blogbeiträge laufen, die ich selbst schreiben kann und über Verlinkungen mit wirklich passenden, ausgewählten Websites. Oder sollte ich versuchen, ein System mit Trainerausbildungen und Lizenzstudios in Deutschland zu etablieren? (Ideen habe ich – aber für die Umsetzung eines solchen Plans hätte ich gerne Geschäftspartner an meiner Seite, da ich Neuling bin und nicht über Kapital verfüge). Als Alternative zu dieser Konzentration auf eine einzige Trainingsmethode kann ich mir auch vorstellen, eine Internetpräsenz mit den besten Fitnessübungen für Tennisspieler zu erstellen und die entsprechenden DVDS/Trainingsmittel per Internet zu vertreiben. Ich bin sehr gespannt, welche dieser Alternativen Sie gut finden und welche Expertentips Sie dazu geben möchten – ganz herzlichen Dank im Voraus! Senta (39), Dokumentationsassistentin in der Wissenschaft
Liebe Senta
Ihr Wunsch nach einer selbstbestimmten Arbeit aus dem Ausland spricht für ein Geschäftsmodell, das Ihnen viele Freiheiten lässt. Und damit eher gegen die Beschränkung auf den Vertrieb dieses einen Fitnessprogramms.
Kontakt aufnehmen, schadet aber nicht und geht so: Telefon in die Hand nehmen und anrufen. Ganz unverfroren. Erzählen Sie diesem Amerikaner Ihre Geschichte und Ihre Absicht, sein Programm in Europa bekannt zu machen. Führen Sie Ihre guten Kontakte in der Tennisszene als möglichen Vertriebskanal ins Feld. Und finden Sie heraus, ob, wie und warum dieses Programm in den USA erfolgreich ist. Welche Marketingmassnahmen haben zu wie viel Umsatz geführt?
Entscheidend für Ihren Erfolg als Lizenznehmerin sind nicht nur die Fitness-, sondern vor allem auch die Businesspläne. Sonst endet die Übung mit einem zünftigen Muskelkater.
Und beobachten Sie den Markt. Seit den guten alten Zeiten von Arnold und Pumping Iron gibt es mehr Fitnessprogramme, Kraftstudios und Personal Trainer als Proteine und Aminosäuren zusammen. Der klare Fokus auf Tennisspieler klingt interessant. Und passt zu Ihnen. Ob DVDs in Zeiten von Youtube noch erfolgsversprechend sind, scheint mir fraglich. Fitnessgeräte und vor allem Ergänzungsnahrung (Proteine) scheinen aber stark nachgefragt zu sein.
Am Ende ist es wie beim Tennis. Slice oder Topspin, Cross oder Longline – Sie entscheiden. Ganz allein. Schlag für Schlag.
Ich wünsche Ihnen einen ersten Aufschlag im Feld
Ihr Chef vom Ganzen
Der Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid
Lieber Chef vom Ganzen. Ich werde bald umstrukturiert. Eine inhaltliche Neuorientierung wie auch eine Selbständigkeit reizen mich sehr, ich muss aber drei Töchter co-ernähren. Ich hätte ein Angebot, in ähnlichem Umfeld weiterzuarbeiten. Mit einem reduzierten Pensum und damit Ressourcen für sanften Einstieg in die Selbständigkeit könnte ich mir das grundsätzlich vorstellen. Funktioniert eine solche halb-halb-Strategie oder betrüge ich mich selbst? Brauche ich einen (zweiten) Tritt in den Hintern für einen Herzentscheid oder ist diese Risikominimierung positiv-vernünftig? Merci für Weisheit vom Ganzen. Reto (40), Geschäftsführer
Lieber Reto
Der vielleicht grösste Fehler beim Pokern ist mitzuspielen. Vor allem Anfänger gehen und bieten zu oft mit. Auch mit schlechten Karten. Weil sie pokern wollen. Profis verwerfen 90 und mehr Prozent ihrer Karten. Die grosse Kunst heisst warten. Warten auf echte Chancen. Mathematische. Taktische. Psychologische. Den Rest besorgt die Glücksfee.
Genau so verhält es sich mit der beruflichen Selbständigkeit. Sie sollten kein Unternehmen gründen, weil Sie ein Unternehmen gründen wollen. Das scheitert meist bei der Suche nach einem guten Namen, einem Logo und spätestens bei der Homepage. Weil Sie nicht wissen, was sie schreiben sollen. Wie auch, wenn Sie nicht einmal wissen, wem sie was verkaufen wollen.
Ein (warum eigentlich) reduziertes Pensum in ähnlichen Umfeld annehmen und sich währenddessen auf die Suche nach einer guten Geschäftsidee machen, klingt positiv-vernünftig. Und ist es auch. Viel besser als ein Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid alles auf Nichts zu setzen.
Im Rahmen Ihrer inhaltlichen Neuorientierung werden Sie irgend wann auf etwas stossen, das gleichzeitig Ihre Leidenschaft und bei anderen Menschen Bedürfnisse weckt. Genau dann spielen Sie mit. Erhöhen den Einsatz. Und setzen alles ein. Ihre Zeit, Ihr Geld, Ihre Kraft. Den Rest besorgt die Glücksfee. Und falls Ihnen gar nichts in den Sinn kommt, fragen Sie Ihre drei Töchter wofür Sie gerne Geld ausgeben. Ich bin sicher, irgend etwas davon wird Ihnen Spass machen.
Mit Royal Flush
Ihr Chef vom Ganzen
Macht Chef sein glücklich?
Lieber Chef vom Ganzen. Mein Problem: ich bin schon Chef über einen kleinen Betrieb. Nun ist es aber so, dass mich diese Arbeit nicht befriedigt. Das ständige auf und ab der Auftragslage gepaart mit dem ruinöse Preiskampf führen unweigerlich dazu. Ich möchte selbständig bleiben aber meine Energie besser einsetzen. Was rät ein Chef einem anderen Chef in dieser Situation. Erich (40), Haustechniker
Lieber Erich
Chef sein macht per se nicht glücklich. Die Ungewissheit nagt am Selbstvertrauen des Unternehmers. Macht ihm Angst. Macht ihn fertig. Raubt ihm Zuversicht, Schlaf und Energie. Auch der beste Businessplan ist am Ende nur ein Plan. Kommt der Auftrag oder kommt er nicht? Niemand weiss, was morgen ist. Weder die Angestellten, noch der Chef, noch der Chef vom Chef, also der Kunde. Alle tappen im Dunkeln.
Das ist nicht nur in einem Haustechnik-KMU so, sondern auch bei börsenkotierten Unternehmen. Dort sind es Analysten, die aus immer komplexeren Modellrechnungen immer verzweifelter versuchen, Erfolgsquoten abzuleiten. Und die Investoren, die in hemmungsloser Gier und nach purem Gutdünken darauf wetten.
Casino-Kapitalismus, sagte dazu einst Jean Ziegler. Ein Spiel also. Vielleicht hilft es Ihnen als Chef, das Unternehmertum als Spiel zu sehen. Ein Spiel mit immer wieder erstaunlich hohem Glücksfaktor. Das wird Ihnen jeder Geschäftsmann demütig bestätigen.
Bei diesem Spiel mitzuspielen, ist spannend. Vor allem, weil in der Marktwirtschaft, im Gegensatz zum Casino, nicht immer die Bank gewinnt. Die Ungewissheit der Auftragslage und den Preiskampf zu einem gewissen Grad einfach als Teil des Spiels, als Zufalls- oder Glücksfaktor zu akzeptieren, nimmt viel Last von Ihren Schultern. Spielen Sie mit. Riskieren Sie. Überraschen Sie. Erhöhen Sie den Einsatz. Pokern Sie. Setzen Sie Ihre Gegner schachmatt. Unternehmer sein heisst Verkäufer sein. Verkaufen ist ein Spiel. Und es macht Spass.
Das mag naiv klingen, ist aber ungemein wohltuend. Und gibt Energie für die Dinge, die Freude am eigenen Geschäft machen: überraschende Lösungen für Probleme finden, daraus Produkte und Dienstleistungen entwickeln und Menschen für diese Ideen begeistern.
Alles auf Rot
Ihr Chef vom Ganzen
Zwischen zwei Zweigen
Lieber Chef vom Ganzen. Ich suche dringend einen neuen Job. Im Moment halte ich mich mit Freelance-Aufträgen über Wasser. Und der Pegel steigt sogar ziemlich gegen Hochwasser, es läuft gut. Nun habe ich durch persönliche Beziehungen ein Job-Angebot in der Kommunikationsabteilung eines Grossunternehmens erhalten. Job wäre interessant, Lohn gut, das Drumherum sehr gut. Habe mit Bekannten gesprochen, die dort arbeiten – und zufrieden sind. Dann habe ich mich noch auf eine Stelle regulär beworben. Auch in der Kommunikationsabteilung einer grossen Dings. Job wäre interessant, Lohn sehr gut, Drumherum gut. Unterschied zum anderen Job: Ich bin eine Bewerberin unter vielen und kenne dort niemanden. Das Problem ist, dass wohl noch nicht feststehen wird, ob das mit Job B etwas wird, wenn ich bei Job A zusagen muss. Soll ich nun den fetten Spatz in der Hand nehmen oder den Vogel auf dem Dach, der vielleicht nicht mal ne Taube ist? Eva, 33, Kommunikationsirgendwas
Liebe Eva
Die Frage ist, wie gut Sie sich mit Vögeln auskennen. Spatzen und Tauben sind weit verbreitet. Wenn nicht gar eine Plage. Mit Ihrer Qualifikation dürfen Sie stets mit guten Angeboten von Grossunternehmen rechnen, um im Schwarm geordnet Richtung Süden mitzufliegen. Natürlich hilft es, wenn Sie bereits den einen oder anderen Vogel im Betrieb kennen und wissen, wie der Wind pfeift. Und weil Erfolg im Business auf Beziehungen gründet und nicht auf Ungewissheit, empfehle ich Annahme von Job A.
Schöner aber als der Spatz in der Hand, ist die Taube auf dem eigenen Dach. Der spannendste Job heisst weder A noch B. Sie üben ihn bereits aus. Als Freelancerin verfügen Sie über etwas, um was Sie unzählige Spätzchen und Täubchen in den Konzernkäfigen beneiden: Freiheit. Sie sind das Rotkehlchen, der Kanarienvogel, der Pfau, der Strauss, der Adler, die Exotin, die Ihre eigene Flugbahn bestimmt. Nicht immer das gemütlichste Nest. Aber Ihr eigenes.
Überlegen Sie gut, ob Sie die vielleicht aus der Not gewonnene Selbständigkeit nicht zur Tugend machen wollen. Beziehungen zu Grossunternehmen bestehen, diese in Aufträge umzumünzen, reizt Sie nicht? Es klingt nicht so, als müssten Sie hartes Brot essen. Sondern eher nach Expansion. Warum also nicht ein paar Spatzen für Sie pfeifen lassen, anstatt in den Käfig wandern und Konzernkörnli picken?
Mit dem Lockruf der Selbständigkeit
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)