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Von freundlichen und herzlichen Grüssen
Lieber Chef vom Ganzen. Immer wieder stelle ich fest, dass in geschäftlichen, internen (manchmal auch externen) E-Mails am Ende die Grussformeln „Herzlich“, „Herzlichst“ oder „herzliche Grüsse“ verwendet werden. Meiner Meinung nach sind diese in dem Zusammenhang wenig passend. Wie stehen Sie als sprachlich versierte Person zu dieser Frage? Caroline, Ingenieurin, 34
Liebe Caroline
Egal wie strikt Sie Geschäftliches und Privates trennen, wem Sie mit Herzlichkeit begegnen und wem Sie Ihr Herz schenken wollen, das bleibt Ihre persönliche Entscheidung. Heute bahnt sich jede zweite Liebesbeziehung am Arbeitsplatz an, heisst es. In Firmen mit offenem Internet liegt der Wert vermutlich noch höher, wenn man die Zugriffe auf Partnerplattformen mit einrechnet.
So herzlos und unpersönlich geht es in den allerwenigsten Arbeitsorten zu und her. Da werden Hunde gestreichelt, Fotos geteilt, Bildschirme dekoriert, Feierabende gefeiert und manche Abteilungen gehen sogar gemeinsam baden. Die Firma als Familie. Der Wunschtraum jedes Patron. Einer für alle, alle für ihn.
Dass bei so viel Harmonie intern nicht nur in der Kaffeepause, sondern auch in E-Mails herzlich gegrüsst wird, finde ich unproblematisch. Andernorts empfehle ich als unverfängliche Vorstufe zur Herzlichkeit die Freundlichkeit. Insbesonders im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern.
Konkret: Mit «Lieber Herr Muster» schreiben Sie nur Kontakte an, die Sie persönlich getroffen haben. Bei denen dürfen Sie sich bei gutem Geschäftsverlauf auch herzlich verabschieden. In den klassisch-konservativen Branchen (Finanzen, Industrie, Recht) und bei Ü50-Kontakten «Sehr geehrter Herr Muster» und «Mit freundlichen Grüssen» verwenden. Die ältere Generation schätzt formale Korrektheit. Haben die damals so eingetrichtert bekommen. Tipp für altersgerechte Power-Point-Präsentationen: Wählen Sie die Schriftgrösse immer mindestens halb so gross wie das Durchschnittsalter der Anwesenden.
Meine persönliche Geheimwaffe, das Reduit der Begrüssungsformeln sozusagen, lautet ganz neutral: «Grüezi Herr Muster». Als Romand, Tessiner, Franzose oder Italiener darf es auch ein «Bonjour Herr Muster» oder ein «Buongiorno Herr Muster» sein. Etwas heikler, aber nicht minder spannend, wird es jenseits der Schweizer Landessprachen: «Hello Mister Muster» oder «Konnichiwa Herr Muster». Im Zweifelsfall jedoch lieber in den sicheren, sehr geehrten Herr Hafen einschiffen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen