Getagged: Networking
Zwischen zwei Zweigen
Lieber Chef vom Ganzen. Ich suche dringend einen neuen Job. Im Moment halte ich mich mit Freelance-Aufträgen über Wasser. Und der Pegel steigt sogar ziemlich gegen Hochwasser, es läuft gut. Nun habe ich durch persönliche Beziehungen ein Job-Angebot in der Kommunikationsabteilung eines Grossunternehmens erhalten. Job wäre interessant, Lohn gut, das Drumherum sehr gut. Habe mit Bekannten gesprochen, die dort arbeiten – und zufrieden sind. Dann habe ich mich noch auf eine Stelle regulär beworben. Auch in der Kommunikationsabteilung einer grossen Dings. Job wäre interessant, Lohn sehr gut, Drumherum gut. Unterschied zum anderen Job: Ich bin eine Bewerberin unter vielen und kenne dort niemanden. Das Problem ist, dass wohl noch nicht feststehen wird, ob das mit Job B etwas wird, wenn ich bei Job A zusagen muss. Soll ich nun den fetten Spatz in der Hand nehmen oder den Vogel auf dem Dach, der vielleicht nicht mal ne Taube ist? Eva, 33, Kommunikationsirgendwas
Liebe Eva
Die Frage ist, wie gut Sie sich mit Vögeln auskennen. Spatzen und Tauben sind weit verbreitet. Wenn nicht gar eine Plage. Mit Ihrer Qualifikation dürfen Sie stets mit guten Angeboten von Grossunternehmen rechnen, um im Schwarm geordnet Richtung Süden mitzufliegen. Natürlich hilft es, wenn Sie bereits den einen oder anderen Vogel im Betrieb kennen und wissen, wie der Wind pfeift. Und weil Erfolg im Business auf Beziehungen gründet und nicht auf Ungewissheit, empfehle ich Annahme von Job A.
Schöner aber als der Spatz in der Hand, ist die Taube auf dem eigenen Dach. Der spannendste Job heisst weder A noch B. Sie üben ihn bereits aus. Als Freelancerin verfügen Sie über etwas, um was Sie unzählige Spätzchen und Täubchen in den Konzernkäfigen beneiden: Freiheit. Sie sind das Rotkehlchen, der Kanarienvogel, der Pfau, der Strauss, der Adler, die Exotin, die Ihre eigene Flugbahn bestimmt. Nicht immer das gemütlichste Nest. Aber Ihr eigenes.
Überlegen Sie gut, ob Sie die vielleicht aus der Not gewonnene Selbständigkeit nicht zur Tugend machen wollen. Beziehungen zu Grossunternehmen bestehen, diese in Aufträge umzumünzen, reizt Sie nicht? Es klingt nicht so, als müssten Sie hartes Brot essen. Sondern eher nach Expansion. Warum also nicht ein paar Spatzen für Sie pfeifen lassen, anstatt in den Käfig wandern und Konzernkörnli picken?
Mit dem Lockruf der Selbständigkeit
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)
Sexuelle Belästigung
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin seit gut einem Jahr selbständig. Da ich mich im IT-Umfeld bewege, habe ich es mehrheitlich mit Männern zu tun. Ist grundsätzlich auch kein Problem für mich, wenn da nicht immer wieder folgendes passieren würde: Ich werde angefragt für einen Lunch, welcher sich als Business-Lunch tarnt und der liebe gute Mann hat dann aber irgendwelche andere Absichten… Sie verstehen schon… oder ich bin an einer Veranstaltung, um Networking zu betreiben und diskutiere mit Männern und tausche Visitenkarten aus und nachher werde ich bombardiert mit SMS: wie wäre es mit einem kleinen Abenteuer, einem Nachtessen etc. Ich bekomme sogar Fotos. Hilfe! Nun meine Frage: Wie kann ich auf nette Art und Weise eine „Absage“ erteilen? Vor allem denjenigen (Kunden/Lieferanten), welche mir geschäftlich immer wieder über den Weg laufen? PS: Mein Ausschnitt reicht nicht bis zum Bauchnabel und ich trage auch keinen Minirock… ;-) Christine (33), Informatikerin
Liebe Christine
Jeder erfolgreiche Verkäufer weiss, er verkauft in erster Linie nicht seine Produkte oder Dienstleistungen, er verkauft sich selbst. Jedes Verkaufsgespräch ist ein Flirt, hat mir eine Verkaufstrainerin einmal verraten. Und viele Männer gehen in diesem Spiel ganz in ihrer Rolle als Eroberer auf. Ich war selbst schon an einigen Messen und weiss aus sicherer Quelle, dass Sie nicht die Einzige sind, die mit balzenden Gockeln und amourösen Wadenbeissern zu kämpfen hat.
Die grosse Herausforderung besteht darin, die Casanovas auf Distanz zu halten, ohne dass sie das geschäftliche Interesse an Ihnen verlieren. Anders herum funktioniert das natürlich auch. Nicht wenige Frauen verdrehen den Männern aus Kalkül den Kopf. So oder so. Privates und Geschäftliches trennen, funktioniert bei Selbständigen nicht. Sie sind das Geschäft.
Und jetzt ganz konkret: Zuerst sollten Sie Ihre Handynummer präventiv von Visitenkarte und E-Mail-Signatur streichen und Ihr Geschäftstelefon auf Ihr Handy umleiten, wenn Sie unterwegs sind. Geht mit VOIP automatisch. Mache ich auch so. Eindeutig zweideutige Anfragen konsequent ignorieren. Auf allen Kanälen. Mit einer Absage, egal wie nett getextet, können Sie nur verlieren. Falls Sie geschäftlich auf den Kontakt angewiesen sind: einfach weiter machen wie wenn nichts gewesen wäre. Und bei Geschäftsbeziehungen so lange wie möglich per Sie bleiben.
Sie müssen das Ganze sportlich sehen. Männer sind Jäger. Sie werfen gerne Speere. Und die meisten können auch gut damit umgehen, wenn mal einer nicht trifft. Verlieren Sie Ihr Lächeln nicht. Flirten gehört zum Geschäft. Aber was erzähle ich Ihnen da, ich habe an einer Messe meine Frau kennengelernt.
Mit einem Augenzwinkern
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY 3.0)
Apéro riche
Ich bin stellvertretender Niederlassungsleiter bei einer Regionalbank. In unserer Gegend gibt es pro Jahr etwa ein Dutzend Anlässe, an denen unsere Bank vertreten sein muss: Unternehmerpreise, Symposien, Handelskammer-Vortrag und so weiter. Mein Chef schickt immer mich, weil ihm die Abende heilig sind. Aber an jedem dieser Events gibt es einen Apéro riche. Dabei trinke ich wenig bis keinen Alkohol und werde dort richtig dazu genötigt, und meine Diätbemühungen werden auch jedes Mal torpediert wegen dem Gruppendruck. Ich mag nicht mehr, aber meine Kollegen sagen, es sei ein Karrierekiller, wenn ich darum bitte, dass jemand anders diese Anlässe abdeckt. Muss ich da einfach durch? Jürg, 38
Lieber Jürg
Den Alkohol und insbesondere den Weisswein verteufeln, das wollen wir nicht. Er wird nicht nur an Unternehmerpreisen, Symposion und Handelskammer-Vorträgen rege ausgeschenkt, sondern auch an den von Ihrem Chef gepriesenen heiligen Abenden.Als ehemaliger Ministrant weiss ich, dass unser Dorfpfarrer aus dem Kelch gar kein Blut getrunken hat, sondern 2/3 Fechy und 1/3 Wasser statt umgekehrt.
Früher bin ich an jeden Anlass gepilgert, der nach Networking klang. Freiwillig. Es war ein Stahlbad. Ein Verkaufsprofi gab mir den entscheidenden Tipp: harre aus bis zum bitteren Ende. Es stimmte immer. Wer zur Teilnahme verdonnert wurde, ging früh. Die schnappten nach dem Referat ihren Mantel, guckten wichtig auf Ihr Handy und weg waren sie. Bis zum Schluss blieben nur jene, die etwas suchten. Und es schliesslich fanden. Bei mir.
Natürlich hilft das eine oder andere Glas dabei auszuharren. Und wenn Sie wissen wollen, wie Sie einen Abend mit einem einzigen Glas Alkohol überstehen, fragen Sie mal einen Barkeeper. Aber darauf kommt es nicht an. Diese Anlässe sind eine Chance Ihre Karriere nach vorne zu treiben. An diesen Abenden sind Sie die Firma. Sie, und nicht Ihr Chef. Das ist Ihre Chance. Wenn Sie schon da sein müssen, nutzen Sie sie.
Verteilen Sie so viele Visitenkarten wie möglich. Und fragen Sie jeden mit dem Sie sprechen nach seiner Karte. Schicken Sie am Tag danach eine E-Mail und bedanken Sie sich für das Gespräch. Es gibt nichts, was Sie weiter bringt als Kontakte. Ein Apéro riche ist dafür die beste Gelegenheit. Trinken Sie ein Glas Weisswein, essen Sie ein Schinkengipfeli und feiern Sie sich.
Prost!
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Alexandra Thielges (CC BY-NC-ND 3.0)