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Die Stinkwurzel
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin Mandatsleiterin und habe fast ausschliesslich angenehme Kunden. Mit einer Ausnahme. Der eine Kunde schikaniert mich, kritisiert meine Arbeit andauernd, ruft um elf Uhr abends wegen irgendwelcher Details an und liefert seine Unterlagen ganz bestimmt absichtlich in einem lausigen Zustand ab. Ich bin Profi und behalte diese Probleme intern für mich. Nun habe ich einen überehrgeizigen jungen Kollegen, der sich für den Grössten hält und am liebsten alle Mandate für sich hätte. Ist es unmoralisch, ihm meine „Stinkwurzel“ ohne Vorwarnung und unter einem Vorwand abzutreten? Susanne W., 32, Treuhänderin
Liebe Susanne
Es kommt ganz darauf an, wie fest die Wurzel wirklich stinkt. Respektive wem sie stinkt. Sie sehen Anrufe um elf Uhr abends als Schikane, empfinden Kritik an Ihrer Arbeit als Problem. Eines, das Sie intern für sich behalten. Da sind Sie ja ganz Profi.
Vermeintlich. Denn ein Profi sieht im Problem nicht das Problem. Sondern die Aufgabe. Die Herausforderung. Die Hürde. Die nächste Stufe nach oben. Und ein Profi behält Probleme nicht für sich. Er schafft sie aus der Welt. Erfolgreiche Arbeitnehmer tragen die heisse Kartoffel nicht einfach ins Chefbüro weiter, sie schlagen Lösungen vor: Pommes oder Rösti.
Mit der Weiterleitung der Stinkwurzel an den jungen Heissporn tun Sie nichts Unmoralisches. Sie geben ihm eine Aufgabe. Eine schwierige zwar, aber falls er sie löst, und er wird alles dafür tun, weil er sich für den Grössten hält, befeuern Sie damit seine Karriere. Auf Ihre Kosten.
Es gibt nur einen Weg, den Kampf um Mandate zu gewinnen. Packen Sie das Problem bei der Stinkwurzel. Nehmen Sie um 23 Uhr den Anruf entgegen. Und lösen Sie das Problem.
Mit unmoralischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen