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Lesebestätigungen – Fluch oder Senden?

Hallo Chef vom Ganzen. Ich bin selbstständig und habe Probleme mit Mails. Mails mit Lesebestätigung. Das ist so was von übel, dass ich reflexartig auf „Nein – keine Lesebestätigung senden“ drücke. Ich bin unsicher wie ich die „Anforderer“ einer E-Mail Lesebestätigung einstufen soll. Sind das zu klein geratene Warmduscher die Ihr Ego aufbessern, indem Sie völlig belanglose Inhalte – über den fantasielosen Umweg einer Lesebestätigung – als „wichtig“ platzieren? Oder ist meine Affekthandlung eine Abwehrhaltung gegenüber Personen, die wichtige Inhalte auch als solche bestätigt haben wollen? Wer hat eigentlich diese Funktion erfunden? E-Mail als Kommunikationsmittel ist schon übel genug. Aber mit Lesebestätigung geht gar nicht. Lieber Chef vom Ganzen. Wie bringe ich jemandem bei, der alle seine Mails mit Lesebestätigung versendet, dass es auch in seinem Mailprogramm einen Knopf gibt, wo man das ausschalten kann? Heinrich (41), Geschäftsführer

Lieber Heinrich

Am 1. Februar 1991 fasste sich die Schweizerische Post ein kaltes Herz und führte die Zweiklassengesellschaft ein. Und erntete prompt kübelweise Spott. Denn obwohl von den SBB bekannt, erwies sich das System als gewöhnungsbedürftig. Für Sender und Empfänger. Die Presse höhnte damals: A-Post nach Australien, B-Post nach Belgien.

Nun, danach kräht kein Hahn mehr. Denn heute wird alles Express verschickt. Auf Knopfdruck. Per E-Mail. Und weil bestimmt auch Sie sicher gehen möchten, dass unsere Nachricht in der richtigen Mailbox und nicht im Spam-Dschungel Australiens gelandet ist, haben findige Programmierer die Lesebestätigung entwickelt. (Gilt nicht für Obama. Der liest auch ohne Bestätigung mit.)

Schnell war das Eis der Skepsis gebrochen, die Funktion Schnee von gestern. Eine der erfolgreichsten Apps überhaupt baut auf einer automatischen Lesebestätigung auf: Whatsapp. Und in jedem anständigen (und unanständigen) Messenger sehen Sie heute sofort, wer empfangsbereit ist. Noch bevor Sie überhaupt eine Nachricht verfasst haben.

Kämpfen Sie nicht gegen Lesebestätigungen an. Nutzen Sie sie zu Ihren Gunsten. Klicken Sie ab sofort reflexartig auf Lesebestätigung senden statt umgekehrt. Die Kunden lieben Selbständige, die sofort reagieren und immer verfügbar sind. Sorgen machen müssen Sie sich als Selbständiger erst, wenn es den Absender nicht mehr interessiert, ob Sie seine E-Mail gelesen haben. Oder wenn Sie nur noch B-Post erhalten.

Mit Lesebestätigung
Ihr Chef vom Ganzen

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Von freundlichen und herzlichen Grüssen

Lieber Chef vom Ganzen. Immer wieder stelle ich fest, dass in geschäftlichen, internen (manchmal auch externen) E-Mails am Ende die Grussformeln „Herzlich“, „Herzlichst“ oder „herzliche Grüsse“ verwendet werden. Meiner Meinung nach sind diese in dem Zusammenhang wenig passend. Wie stehen Sie als sprachlich versierte Person zu dieser Frage? Caroline, Ingenieurin, 34

Liebe Caroline

Egal wie strikt Sie Geschäftliches und Privates trennen, wem Sie mit Herzlichkeit begegnen und wem Sie Ihr Herz schenken wollen, das bleibt Ihre persönliche Entscheidung. Heute bahnt sich jede zweite Liebesbeziehung am Arbeitsplatz an, heisst es. In Firmen mit offenem Internet liegt der Wert vermutlich noch höher, wenn man die Zugriffe auf Partnerplattformen mit einrechnet.

So herzlos und unpersönlich geht es in den allerwenigsten Arbeitsorten zu und her. Da werden Hunde gestreichelt, Fotos geteilt, Bildschirme dekoriert, Feierabende gefeiert und manche Abteilungen gehen sogar gemeinsam baden. Die Firma als Familie. Der Wunschtraum jedes Patron. Einer für alle, alle für ihn.

Dass bei so viel Harmonie intern nicht nur in der Kaffeepause, sondern auch in E-Mails herzlich gegrüsst wird, finde ich unproblematisch. Andernorts empfehle ich als unverfängliche Vorstufe zur Herzlichkeit die Freundlichkeit. Insbesonders im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern.

Konkret: Mit «Lieber Herr Muster» schreiben Sie nur Kontakte an, die Sie persönlich getroffen haben. Bei denen dürfen Sie sich bei gutem Geschäftsverlauf auch herzlich verabschieden. In den klassisch-konservativen Branchen (Finanzen, Industrie, Recht) und bei Ü50-Kontakten «Sehr geehrter Herr Muster» und «Mit freundlichen Grüssen» verwenden. Die ältere Generation schätzt formale Korrektheit. Haben die damals so eingetrichtert bekommen. Tipp für altersgerechte Power-Point-Präsentationen: Wählen Sie die Schriftgrösse immer mindestens halb so gross wie das Durchschnittsalter der Anwesenden.

Meine persönliche Geheimwaffe, das Reduit der Begrüssungsformeln sozusagen, lautet ganz neutral: «Grüezi Herr Muster». Als Romand, Tessiner, Franzose oder Italiener darf es auch ein «Bonjour Herr Muster» oder ein «Buongiorno Herr Muster» sein. Etwas heikler, aber nicht minder spannend, wird es jenseits der Schweizer Landessprachen: «Hello Mister Muster» oder «Konnichiwa Herr Muster». Im Zweifelsfall jedoch lieber in den sicheren, sehr geehrten Herr Hafen einschiffen.

Mit freundlichen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen

Das französische E-Mail

Lieber Chef. Ich hoffe Sie verstehen, dass ich Ihnen diese Frage anonym stelle. Ich liege seit vier Tagen mit einer „Grippe“ im Bett, weil ich mich nicht mehr in die Firma traue. Mein Arbeitskollege und ich lästern ab und zu über die Sekretärin unseres Chefs. Wer mit einem Ausschnitt bis zum Bauchnabel zur Arbeit kommt, muss halt damit rechnen, finde ich. Unglücklicherweise habe ich die letzte Läster-Mail (vor fünf Tagen, kurz vor Feierabend) nicht an meinen Kollegen Alessandro geschickt, sondern an „Alle“. Jetzt wissen 87 Mitarbeitende, dass ich der Sekretärin – sollte ich Abteilungsleiter werden – als erstes Französisch beibringen würde. Wie bringe ich das wieder in Ordnung? Soll ich eine neue E-Mail an alle verfassen? Einen grossen Blumenstrauss kaufen? Männlich (48), Versicherungsfachmann

Mein lieber Gott

Dass Sie der Sekretärin Französisch beibringen möchten, ist an und für sich kein unehrenhaftes Vorhaben. Allerdings möchte ich mir nicht ausmalen, wie streng Sie die Lektionen zu gestalten gedachten. Und ob Sie als Abteilungsleiter in günstiger Position dafür wären, wage ich zu bezweifeln.

Das Einzige, was Sie jetzt tun können, ist Ihren Mann zu stehen. Nach dem französischen Grippe-Abgang heisst es nun einmal leer schlucken, frisch rasieren, den besten Anzug anziehen, ein Spritzer Old Spice und zurück auf Start. Die 87 Mitarbeitenden hatten bereits viel zu viel Zeit ihrerseits ein paar ungünstige E-Mails zu versenden.

Nach fünf Tagen dürfen Sie davon ausgehen, dass sich die Empörung gelegt, eine mitfühlende Allianz um den Bauchnabel der Sekretärin gebildet hat und die wilden Spekulationen sich nun ganz auf Sie und Ihre Reaktion konzentrieren.

Mit einem Blumenstrauss, vergessen Sie das, ist es nicht getan. Sie kaufen also einen aktuellen Dictionnaire, packen eine schöne rote Schleife drumrum und stecken eine kleine Karte mit einer herzlichen Entschuldigung dazu. Engagieren Sie, falls Ihnen immer noch der Atem stockt, einen guten Texter dafür. Das Paket legen Sie persönlich an den Arbeitsplatz der Sekretärin.

Danach versichern Sie Ihren Vorgesetzten per E-Mail, dass derart Unverzeihliches nie mehr vorkommt. Ausserdem bewegen Sie alle E-Mails von und an Alessandro auf Ihr neues privates E-Mail-Konto, das Sie schon vor Jahren hätten einrichten sollen.

Cordiales salutations
Ihr Chef vom Ganzen