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So peinlich

La media naranja

Lieber Chef vom Ganzen. Ich habe meine neue Stelle vor drei Wochen angetreten. In dieser kurzen Zeit sind mir mehrere peinliche Dinge passiert. Ich wollte zum Beispiel einer Kollegin einen Gefallen tun, die sich jeden Tag frischen Orangensaft presst und habe ihr sämtliche Orangen geschält. Mir war nicht klar, dass man das nicht sollte. Einmal kam ich mit einem Kater ins Büro, ein Kollege gab mir ein Alka-Seltzer, und ich dachte, man müsse die lutschen. Ich habe mitten in der Kantine vor der ganzen Belegschaft geschäumt. Und den dritten Vorfall verschweige ich, weil er einfach zu peinlich ist. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt tun kann, was ich will, bei dieser Firma werde ich für alle Zeiten den Ruf des Schussels haben. Bleibt mir nur der schnelle Wechsel? Georg, 29, Versicherungsmathematiker

Lieber Georg

Sie sind hilfsbereit, zuvorkommend gar. Und Sie schlucken, respektive lutschen auch mal was weg, wenn es Ihnen dreckig geht. Das sind grossartige Charaktereigenschaften. Dafür wird man Sie in dieser Firma noch lieben. Vorausgesetzt, Sie zeigen nicht nur bei den Dossiers Orangen und Alka-Seltzer Eigeninitiative.

Peinlichkeiten machen Sie nur allzu menschlich. Die passieren überall. Mal kommt ein Blumenstrauss bei der falschen Person an, mal geht eine Läster-E-Mail ungewollt an alle, mal wandert die Krawatte des Chef in den Schredder. So lange Sie nur Ihre eigene Ehre verletzen, sind Sie auf der sicheren Seite. Aber aufgepasst: die Grenze zum Fremdschämen liegt nicht weit.

Vielleicht wagen Sie sich das nächste Mal auf Terrain vor, das Sie kennen. Kaffee? Kuchen? Gipfeli? Versicherungsmathematik? So gewinnen Sie Vertrauen in Ihre Aktionen. Verwechseln Sie diese Strategie nicht mit Anpassung. Verbiegen Sie sich nicht. Bleiben Sie sich selbst. Sonst enden Sie über kurz oder lang in einer Stresssituation. Und machen eine Dummheit, die nicht mehr peinlich ist, sondern gefährlich.

Ein gutes Rezept, Kontakte zu knüpfen, heisst, sich für den Feierabend zu interessieren. Mit Ihrer schusselig-liebenswürdigen Art finden Sie im Betrieb bestimmt ein paar Kollegen, mit denen Sie am nächsten Morgen gemeinsam ein Alka-Seltzer schlucken. Und am Abend zuvor über die Orangen lachen können. Das verbindet.

Den Job wechseln würde ich erst dann, wenn Ihnen kein Mitarbeiter mehr Mut zuspricht, sondern Sie hinter vorgehaltener Hand belächeln und/oder Fotos von Ihrem geschäumten Mund bei Facebook auftauchen.

Mit frisch gepresstem Orangensaft
Ihr Chef vom Ganzen

Bild: 500px (CC BY-NC-SA 3.0)

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