Von der Bäuerin zur Texterin

Sehr geehrter Chef vom Ganzen. Als ich im Internet, wie schon unzählige Male zuvor recherchierte wie ich in Zukunft meinen Lebensunterhalt für mich und meine Tochter verdienen soll, „landete“ ich auf Ihrer Seite. Ja, Sie sehen beziehungsweise lesen, ein schlimmes Deutsch! Genau deswegen schreibe ich Ihnen. Ist es möglich einer 49 jährigen (ich bin wirklich nicht jünger, auch wenn ich so aussehe!) untalentierten, ehemaligen Bäuerin mit höherer Fachprüfung inkl. Betriebsleiterin mit eidg. Diplom, jahrelange Instruktorin und Kursleiterin, das Schreiben beizubringen? Ich interessiere mich für den Texter-Lehrgang in Bern, doch ich habe da so meine Bedenken, weil ich nicht cool schreiben kann. Es würde mir grossen Spass machen lernen zu schreiben, denn ich habe viele Ideen und konnte schon einige Visionen erfolgreich umsetzen. Z.B. säte ich Kräuter und Blumen in meinem Garten, verarbeitete sie dann zu Salben und Ölen und verkaufte sie an dem selbst organisierten Weihnachtsmarkt.. Es gab noch einige andere Projekte die ich erfolgreich realisierte. Doch dann kam die Trennung und die Scheidung nach 21 Jahren und damit auch mein Problem, was arbeitest Du jetzt. Der Arbeitsmarkt sucht keine „alte Frau“ die in der Landwirtschaft ausgebildet ist und einen unglaublichen Mutterinstinkt besitzt. Nein der Arbeitsmarkt sucht junge, dynamische und kreative Menschen. Eigentlich finde ich mich noch jugendlich (ausser am Morgen um 6.00 wenn ich in den Spiegel sehe!) So nun endlich komme ich zu meiner konkreten Frage: Empfehlen Sie mir den Texter-Lehrgang? Ist es realistisch (bitte seien Sie ehrlich!) das ich mich nochmals umschulen lasse und in Zukunft meinen Lebensunterhalt als Texterin verdiene, obwohl ich nicht wirklich gut schreibe? Herzliche Grüsse, Béatrice C. (49), Bäuerin HFP, Instruktorin, Kursleiterin

Liebe Béatrice

Mit dem Schreiben ist es wie mit der Landwirtschaft. Manch Gutes wächst auf einem Haufen Mist. Zwei Faktoren bedingen Gedeih oder Verderb. Zum einen die Erfahrung. Nur wer weiss, wie man sät, giesst, düngt und stutzt, wird am Ende etwas ernten. Zum anderen die Menge. Mehr ist mehr. Je mehr Sie schreiben, desto besser werden Sie. Ernest Hemingway schrieb die letzten Sätze seines Romans «In einem anderen Land» 47 Mal um.

Sie haben einen grünen Daumen. Ob der auch auf eine Tastatur passt, liegt ganz bei Ihnen. Der Texter-Lehrgang macht aus Ihnen keine Texterin. Texterin sind Sie dann, wenn Sie eine sein wollen. Ob Sie Talent haben, finden Sie heraus, wenn Sie mit Freunden ins Kino gehen. Die Meisten können kaum die Handlung richtig zusammenfassen. Und dann gibt es jene, die nach jedem noch so langweiligen Film etwas Spannendes, Intelligentes, Berührendes, Witziges oder Unterhaltsames erzählen.

Lernen kann man das nicht. Das Schwierigste am Schreiben ist, zu wissen, was man schreiben will. Dafür braucht es spannende Gedanken, überraschende Ideen. Manchmal fliegen sie einem zu. Meistens denkt man lange nach. Verdammt lange. Dynamisch und jugendlich zu sein, hilft dabei nicht. Im Gegenteil. Ein Autor ist die Summe seiner Erfahrungen, heisst es doch so schön. Und seiner Vorstellungskraft.

Diese Gedanken und Ideen in Worte fassen dagegen ist pure Übungssache. Ähnlich dem Klavierspielen. Kann jeder lernen. Zum Beispiel im Texter-Lehrgang. Ob ein Text gut klingt – Geschmackssache. Das Publikum entscheidet.

Ich fand Ihre Frage interessant. Die Formulierungen grauenhaft. Wenn Sie wirklich schreiben wollen, dann schreiben Sie. Mit Ihrem bäuerlichen Background stehen die Sterne gut. Martin Suter, ehemaliger Werbetexter und Bestseller-Autor, nennt sich heute Gentleman-Farmer. Texter, Musiker, Künstler und Tausendsassa Dieter Meier betreibt in Argentinien eine Rinderfarm. Und baut eigenen Wein an.

Vom Texter zum Bauer. Das hatten wir schon. Ich bin gespannt, ob Sie den umgekehrten Weg schaffen.

Mit bestem Dünger
Ihr Chef vom Ganzen

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Macht Chef sein glücklich?

Lieber Chef vom Ganzen. Mein Problem: ich bin schon Chef über einen kleinen Betrieb. Nun ist es aber so, dass mich diese Arbeit nicht befriedigt. Das ständige auf und ab der Auftragslage gepaart mit dem ruinöse Preiskampf führen unweigerlich dazu. Ich möchte selbständig bleiben aber meine Energie besser einsetzen. Was rät ein Chef einem anderen Chef in dieser Situation. Erich (40), Haustechniker

Lieber Erich

Chef sein macht per se nicht glücklich. Die Ungewissheit nagt am Selbstvertrauen des Unternehmers. Macht ihm Angst. Macht ihn fertig. Raubt ihm Zuversicht, Schlaf und Energie. Auch der beste Businessplan ist am Ende nur ein Plan. Kommt der Auftrag oder kommt er nicht? Niemand weiss, was morgen ist. Weder die Angestellten, noch der Chef, noch der Chef vom Chef, also der Kunde. Alle tappen im Dunkeln.

Das ist nicht nur in einem Haustechnik-KMU so, sondern auch bei börsenkotierten Unternehmen. Dort sind es Analysten, die aus immer komplexeren Modellrechnungen immer verzweifelter versuchen, Erfolgsquoten abzuleiten. Und die Investoren, die in hemmungsloser Gier und nach purem Gutdünken darauf wetten.

Casino-Kapitalismus, sagte dazu einst Jean Ziegler. Ein Spiel also. Vielleicht hilft es Ihnen als Chef, das Unternehmertum als Spiel zu sehen. Ein Spiel mit immer wieder erstaunlich hohem Glücksfaktor. Das wird Ihnen jeder Geschäftsmann demütig bestätigen.

Bei diesem Spiel mitzuspielen, ist spannend. Vor allem, weil in der Marktwirtschaft, im Gegensatz zum Casino, nicht immer die Bank gewinnt. Die Ungewissheit der Auftragslage und den Preiskampf zu einem gewissen Grad einfach als Teil des Spiels, als Zufalls- oder Glücksfaktor zu akzeptieren, nimmt viel Last von Ihren Schultern. Spielen Sie mit. Riskieren Sie. Überraschen Sie. Erhöhen Sie den Einsatz. Pokern Sie. Setzen Sie Ihre Gegner schachmatt. Unternehmer sein heisst Verkäufer sein. Verkaufen ist ein Spiel. Und es macht Spass.

Das mag naiv klingen, ist aber ungemein wohltuend. Und gibt Energie für die Dinge, die Freude am eigenen Geschäft machen: überraschende Lösungen für Probleme finden, daraus Produkte und Dienstleistungen entwickeln und Menschen für diese Ideen begeistern.

Alles auf Rot
Ihr Chef vom Ganzen

Miaua!

Lieber Chef vom Ganzen. Unsere Personalchefin hängt an ihre E-Mails an die Belegschaft immer Fotos oder sogar kurze Videos von herzigen kleinen Kätzchen an. Und das Hintergrundbild der Mails besteht aus rosa Katzenpfoten. Mein Problem ist, dass ich herzige kleine Kätzchen hasse. Jedenfalls in Form von kitschigen, gestellten Fotos und Filmen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich an mein Antwortmail ein Bild von Katzen an einem chinesischen Tiermarkt hänge. Da gibt es recht explizite Sachen im Netz. Das wäre doch ein klares Signal, oder? Remo, 28, Business Analyst

Lieber Remo

Es gibt kein Recht auf Haustierhaltung am Arbeitsplatz. Die Halter von Hunden, Katzen, Kanarienvögeln, Wüstenspringmäusen, Vogelspinnen, Meer- und und anderen Schweinchen sind dem Goodwill des Arbeitgebers ausgeliefert. Das gilt auch für Tiere in Mail-Anhängen, Bildschirmschonern und Hintergrundbildern.

Die meisten Unternehmen wünschen sich nichts sehnlicher als Mitarbeiter, die sich voll und ganz in die Firma einbringen. Mit ihrer ganzen Zeit und Persönlichkeit. Und da sich am ehesten voll einbringt, wer voll und ganz sich sein kann, tun Unternehmer gut daran eine Auge zuzudrücken. Zum Beispiel wenn Mitarbeiter nach dem dritten Feierabendbier ins Geschäft zurückkehren und die Krawatte des Vorgesetzten schreddern. Hauptsache, der Output stimmt.

Wer in der Kreativbranche gearbeitet hat, weiss: herzige kleine Kätzchen sind nur die Spitze des Eisbergs. Choupette Lagerfeld, die Katze von Karl Lagerfeld, hat sogar einen eigenen Twitter-Account. Üben Sie Toleranz. Bestimmt haben auch Sie eine Marotte mit denen Sie die Mitmenschen bewusst oder unbewusst zur Weissglut treiben.

Vom Versand einschlägiger Bilder aus chinesischen Tiermärkten rate ich Ihnen ab. Wir reden hier von Ihrer Personalchefin. Es sei denn Sie möchten statt ein Kätzchen eine Kündigung im Attachment öffnen.

Mit tierischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen

Die Stinkwurzel

Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin Mandatsleiterin und habe fast ausschliesslich angenehme Kunden. Mit einer Ausnahme. Der eine Kunde schikaniert mich, kritisiert meine Arbeit andauernd, ruft um elf Uhr abends wegen irgendwelcher Details an und liefert seine Unterlagen ganz bestimmt absichtlich in einem lausigen Zustand ab. Ich bin Profi und behalte diese Probleme intern für mich. Nun habe ich einen überehrgeizigen jungen Kollegen, der sich für den Grössten hält und am liebsten alle Mandate für sich hätte. Ist es unmoralisch, ihm meine „Stinkwurzel“ ohne Vorwarnung und unter einem Vorwand abzutreten? Susanne W., 32, Treuhänderin

Liebe Susanne

Es kommt ganz darauf an, wie fest die Wurzel wirklich stinkt. Respektive wem sie stinkt. Sie sehen Anrufe um elf Uhr abends als Schikane, empfinden Kritik an Ihrer Arbeit als Problem. Eines, das Sie intern für sich behalten. Da sind Sie ja ganz Profi.

Vermeintlich. Denn ein Profi sieht im Problem nicht das Problem. Sondern die Aufgabe. Die Herausforderung. Die Hürde. Die nächste Stufe nach oben. Und ein Profi behält Probleme nicht für sich. Er schafft sie aus der Welt. Erfolgreiche Arbeitnehmer tragen die heisse Kartoffel nicht einfach ins Chefbüro weiter, sie schlagen Lösungen vor: Pommes oder Rösti.

Mit der Weiterleitung der Stinkwurzel an den jungen Heissporn tun Sie nichts Unmoralisches. Sie geben ihm eine Aufgabe. Eine schwierige zwar, aber falls er sie löst, und er wird alles dafür tun, weil er sich für den Grössten hält, befeuern Sie damit seine Karriere. Auf Ihre Kosten.

Es gibt nur einen Weg, den Kampf um Mandate zu gewinnen. Packen Sie das Problem bei der Stinkwurzel. Nehmen Sie um 23 Uhr den Anruf entgegen. Und lösen Sie das Problem.

Mit unmoralischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen

Zwölf mal besser

Lieber Chef vom Ganzen. Im Zusammenhang mit dieser 1:12-Initiative habe ich mit einigen Kollegen nach Feierabend über Löhne diskutiert. Zuerst ganz allgemein, aber nach ein paar Bier sind plötzlich konkrete Zahlen gefallen. Wir waren zu fünft, und das Resultat: Wir sind alle enttäuscht. Wir haben alle die gleiche Funktion und ähnliche Qualifikationen und verdienen alle völlig unterschiedliche Beträge. Jeder von uns ist sauer, weil mindestens ein anderer mehr verdient als er. Und der Bestverdienende ist unzufrieden, weil er weniger verdient als sein Freund in einem anderen Unternehmen. Aber wir können ja nun nicht zu fünft gemeinsam in Lohnverhandlungen gehen, oder wie siehst du das? Sascha R., 29, Elektrozeichner

Lieber Sascha

Gleiches mit Gleichem vergelten ist unmenschlich. Davon rät sogar die Bibel ab. Auch wenn Sie und Ihre Feierabend-Kollegen dieselbe Schulbank gedrückt, dieselben Bücher studiert, dieselben Dozenten belächelt und am Ende dasselbe Stück Papier in der Hand halten – ihr seid nicht dieselben.

Zum Glück nicht. Menschen funktionieren nicht wie Roboter. Wir verfügen alle über eigene Hardware. Und laufen auf einem eigenen Betriebssystem. Die Software mit den Unternehmensprozessen muss bei jedem anders installiert werden. Klar, dass auch die Kosten dafür variieren. Genau wie die Ergebnisse. Weil jeder seine Funktion anders wahrnimmt, macht jeder einen anderen Job. Der notabene auch anders bezahlt wird.

Dann kommt der Faktor Zeit dazu. Haben sich im Frühling 50 Bewerber für eine Stelle gemeldet, dümpeln im Herbst nur noch drei herein. Angebot und Nachfrage beeinflussen den Lohn genauso stark wie Abschlussnoten, Berufserfahrung, Ausdrucksweise, Haarschnitt, Minirock und Verhandlungsgeschick.

Vergleiche anstellen ist nur allzu menschlich. Entscheidend ist, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Was empfinden Sie, wenn Sie an die höheren Löhne Ihrer Kollegen denken? Ungerechtigkeit? Enttäuschung? Wut und Frust? Oder Anerkennung und Respekt? Hoffnung? Chancen? Und die Motivation, alles zu geben, um sie zu übertrumpfen? Vielleicht sogar zwölf mal? Es liegt ganz bei Ihnen.

Mit 1:1-Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen

Volle Kraft voraus

Lieber Chef vom Ganzen. Bei einem Geburtstagsfest eines Freundes kam kürzlich eine Diskussion über Beruf und Karriere auf. Einer der Anwesenden fragte mich, wie meine Planung so aussehe. Ich habe ihm erklärt, ich könne mir durchaus vorstellen, bis zur Pensionierung bei meiner derzeitigen Firma und in meiner jetzigen Position zu verbleiben. Am Tisch wurde es schlagartig still, und ich habe das Gefühl, ich werde seither nicht mehr für voll genommen. Bin ich ein Auslaufmodell mit meiner Haltung? Martin, 41, Vorsorgeberater

Lieber Martin

Bestimmt kennen Sie den vielleicht emotionalsten Satz im Leben eines Menschen. Männer und Frauen sprechen ihn am schönsten Tag ihres Lebens aus: «Ja, ich will.» Privat trauen wir uns, treu zu sein. Für immer und ewig. Wir folgen einem Bedürfnis, das tief in unseren Köpfen und Herzen wurzelt: Zugehörigkeit.

Und das tun wir nicht nur privat. Auch im Geschäft besiegeln wir Zugehörigkeit mit einem Vertrag. Falls Sie verheiratet sind, wissen Sie nur allzu gut: zwischen Ehe- und Arbeitsvertrag besteht kein grosser Unterschied.

Ihre Haltung ist kein Auslaufmodell. Im Gegenteil. Jeder will irgendwo dazugehören. Auch Ihre Geburtstagsfreunde. Als Ehepaar, als Gruppe, im Rudel, im Klub – da sind wir stark. Es sind die einsamen Wölfe, die abgeschossen werden. Nicht nur im Wallis.

Ihre Befürchtung, nicht mehr für voll genommen zu werden, kann ich bedenkenlos zerstreuen. Männer mit Sinn für Treue stehen hoch im Kurs. Privat und geschäftlich. Denn einen neuen Ehemann oder Mitarbeiter einschulen, kostet Nerven, Zeit und Geld.

Dass es rund um Sie als loyal gesinnten Mitarbeiter still wurde, hängt wohl damit zusammen, dass sich kaum ein Arbeitnehmer mehr vorstellen kann, einem Betrieb ein Leben lang die Stange zu halten. In guten wie in schlechten Zeiten. Sie folgen lieber dem Erfolg. Hangeln sich aufwärts, von Firma zu Firma. Immer dort, wo es am besten läuft. Immer zu dem, der am besten bezahlt.

Opportunisten. Trittbrettfahrer. Passagiere auf der Suche nach einer günstigen Mitfahrgelegenheit. Aber nur, wenn Sie lange genug auf einem Boot bleiben, werden Sie es von der Kajüte bis zum Segel in und auswendig kennen. Und am Ende vielleicht sogar steuern.

Mit voller Kraft voraus
Ihr Chef vom Ganzen

Von A nach B

Photograph Benzo by Markus Ziegler on 500px

Lieber Chef vom Ganzen. Ich muss im Rahmen meiner Tätigkeit meistens sehr schnell von A nach B kommen, und in B gibt es meist zu wenig Parkplätze. Das Ergebnis sind Bussen für zu schnelles Fahren und falsches Parkieren. Das alles suche ich mir nicht aus, das liegt an der viel zu offensiven Termindisposition unseres Innendienstes. Ich habe die Bussen bisher immer selbst bezahlt, aber das kann es auf Dauer nicht sein. Soll ich sie künftig einfach wortlos bei der Buchhaltung abgeben? Oder für die durchschnittliche Bussenhöhe eine Lohnanpassung fordern? Gerry, 38, Aussendienstmitarbeiter

Lieber Gerry

Früher war alles besser. Vor allem im Jahr 1988. Da kam der Porsche 964 auf den Markt. Die Anzeige warb damals mit der Schlagzeile: «Sie können länger frühstücken. Sie sind früher zum Abendessen zurück. Gibt es ein besseres Familienauto?» Die Anzeige hätte statt Familienväter auch Aussendienstler direkt ansprechen können: «Sie haben mehr Zeit einen Parkplatz zu finden. Und sind schneller beim nächsten Termin.»

Der Porsche 964 konnte diesen Nutzen jedoch nur noch unter Strafe bieten. Denn seit dem 1. Januar 1985 beträgt das generelle Tempolimit auf Schweizer Autobahnen 120 km/h. Ob diese Strafe auf den Arbeitgeber überwälzt werden kann, hängt davon ab, ob die Busse als «notwendige Auslage» für die Berufsausübung im Sinne von Art. 327a OR gilt oder nicht.

Patrick Gründler, der Rechtsanwalt meines Vertrauens, meint, Bussen seien vom Betroffenen grundsätzlich selber zu bezahlen, da sie ein Fehlverhalten sanktionieren. Und da der Gesetzgeber rechtmässiges Verhalten des Einzelnen erwartet, können Bussen nicht als notwendige Auslagen betrachtet werden.

Entsprechend ist auch eine Überwälzung auf den Arbeitgeber nicht vorgesehen. Aus seiner Sicht ist es nicht einmal sicher, ob eine Überwälzung rechtlich überhaupt zulässig ist. Von gewissen Gerichte wurden Vereinbarungen, wonach Geschwindigkeitsbussen (eines Chauffeurs) vom Arbeitgeber (kulanterweise) übernommen werden, für unzulässig erachtet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Steuerpraxis. Da öffnen sich immer wieder Schlupflöcher. Zum Beispiel im Kanton St. Gallen. Hier werden Parkbussen von den Steuerbehörden in den Erfolgsrechnungen der Unternehmen als «geschäftsmässig begründeter Aufwand» akzeptiert, nicht aber andere Verkehrsbussen. Parkbussen dürften nach dieser Praxis wohl auch aus arbeitsvertragsrechtlicher Sicht als «notwendig» gelten und auf den Arbeitgeber überwälzt werden.

Sie könnten Ihren Arbeitgeber ermutigen das Domizil in die Nähe der Olma zu verlegen. Der einfachere und sicherere Weg bleibt jedoch eine Berücksichtigung der Bussen über eine Lohnanpassung.

Apropos Arbeitgeber stellt sich noch eine andere Frage. Nämlich die, ob das Vorgehen des Innendiensts, permanent (zu) enge Terminpläne zusammenzustellen, nicht gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR) verstösst. Gemäss Rechtsexperte Gründler wird in letzter Zeit nämlich vermehrt diskutiert, ob den Arbeitgeber eine «Stresshaftung» treffen kann, wenn er seine Mitarbeiter permanent überfordert, indem er beispielsweise wie in diesem Fall laufend nicht erreichbare (Termin-)Ziele setzt. Die Hürden für eine solche Haftung sind jedoch hoch. Und voraussichtlich dürfte die Fürsorgepflicht für Sie keine Hilfe bieten.

Fazit: Vielleicht nehmen Sie einfach den Zug, sitzen stressfrei in der ersten Klasse sitzen und essen eine Olma-Bratwurst.

Mit Vollgas
Ihr Chef vom Ganzen

Bild: 500px (CC BY-NC 3.0)

Ein Pausengebet

Photograph the words extinguished upon my lips. by Nicole Belke on 500px

Lieber Chef vom Ganzen. Wir haben in der Firma seit kurzem ein sehr straffes Pausenreglement. Mein Büronachbar behauptet nun, er sei zum Islam übergetreten und verschwindet fünf Mal pro Tag draussen, um zu beten. In Wirklichkeit kann er Mohammed nicht von Buddha unterscheiden und geht raus, um zu rauchen. Ich weiss nun nicht, ob ich ihn auffliegen lassen oder eine ähnliche Masche suchen soll. Kathrin, 29, grafische Gestalterin

Liebe Kathrin

Nicht nur Muslime haben es schwer in der Schweiz. Auch Raucher und andere Pausenclowns. Im Land der Uhren macht sich schnell unbeliebt, wer Zeit schindet. Und einfach mal so aus dem Büro verschwindet.

Obwohl Studien belegen, dass die Produktivität nach 45 Minuten konzentriertem Tun stark abfällt. Und es wirtschaftlich gesehen Sinn macht, den Arbeitstag in Häppchen zu bestreiten. So wie früher in der Schule. Eine Lektion nach der anderen. 45 Minuten E-Mails beantworten. Dann eine Ovomaltine. Oder ein Stossgebet Richtung Mekka. 45 Minuten Offerten schreiben. Dann ein Caramel Macchiato mit laktosefreier Sojamilch und Extra Shot. Oder ein Alpenbitter. Aber das ist ein anderes Thema.

Von einer Denunziation Ihres Büronachbars rate ich ab. Damit offenbaren Sie Ihren Vorgesetzten schlummerndes Potenzial als umsatzgefährdender Whistleblower. Besser Sie ziehen die aktuelle Hirnforschung bei, die Müssiggang als wichtige Voraussetzung für Produktivität belegt. Und begeistern Ihren Arbeitgeber für die Installation einer Pausenglocke.

Falls Sie damit auf Unverständnis und/oder an die Grenzen Ihrer Missgunst stossen, starten Sie in der Firma eine Initiative für ein Kopftuch-, Minarett- und Rauchverbot. Es mag lächerlich klingen. Aber in der Schweiz stehen die Chancen damit durchzukommen erstaunlich gut.

Oder Sie lassen sich vom Büronachbar anstecken. Und konvertieren ebenfalls. Sie steigern dank nebelreichen Gebetspausen Ihre Kreativität und Produktivität als grafische Gestalterin. Und schaffen damit beste Voraussetzungen für mehr Lob, Anerkennung, innerer Zufriedenheit und eine Lohnerhöhung.

Mit religiöser Innbrunst
Ihr Chef vom Ganzen

Bild: 500px (CC BY-NC-ND 3.0)

Unter Erfolgsdruck

Photograph NYC State of Mind by Giorgio Lopez on 500px

Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin immer so wahnsinnig müde – weil es so wahnsinnig anstrengend ist, erfolgreich zu sein oder so zu tun als ob ich das wäre. Es ist auch blöd, dass ich nur Freunde habe, die auch alle wahnsinnig erfolgreich sind – aber irgendwie nie müde sind. Und alle legen so eine konstante und beängstigende Energie an den Tag, welche ich nicht mehr habe und alle sind sie sehr emsig in Sachen „wer mit wem und wer eher nicht“. Ich will bei dem Wer-Mit-Wem-Spiel nicht mehr mitmachen. Was soll ich tun? Reto, Journalist, 41 (aber durch Botox ca. 37)

Lieber Reto

Sie haben wahnsinnig Recht. Es ist ein Spiel. Man nennt es auch das Leiterlispiel. Gespielt wird es im Kindergarten. Und in grösseren Unternehmen. Je mehr Hierarchiestufen zu erklimmen sind, desto leidenschaftlicher wird gespielt. Und, es hört nie auf. Kaum wurde ein Sieger gekrönt, dreht das Karussell von Neuem. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Das ist anstrengend. Ermüdend. Ernüchternd. Enttäuschend. Besonders dann, wenn man nie gewinnt. Im Kindergarten endet das mit Tränen. Im Berufsleben mit Frust, Wut, Verzweiflung und nicht selten mit Depression und geknicktem Selbstwertgefühl. Doch vergessen Sie nicht: es ist ein Spiel. Natürlich geht es ums Gewinnen. Aber wenn Sie denen zuhören, die es zuoberst aufs Leiterli geschafft haben, erzählen sie selten, wie schön dünn die Luft da oben ist. Vielmehr schildern sie mit Pathos und Stolz, wie steil, wie steinig der Weg war, den sie raufgeklettert sind. Wie wahnsinnig müde sie zeitweise waren. Und wie kurz sie davor standen, den Bettel hinzuwerfen.

Ihre Freunde spielen offenbar immer noch mit. Mal etwas mehr, mal etwas weniger erfolgreich. Aber immer erfolgreich. Die haben das Glas immer halb voll. Vielleicht mit Alkohol. Vielleicht mit Kokain. Vielleicht aber einfach nur mit Leidenschaft und dem Glauben, dass in diesem Spiel auch ihr Würfel mal auf die Sechs fällt. Woher sie die Energie dafür haben? Fragen Sie nach. Sie sind doch Journalist. Schreiben Sie einen Artikel. Vielleicht macht er sie wahnsinnig erfolgreich. Ganz ohne Botox.

Mit einem Erfolgsrezept
Ihr Chef vom Ganzen

Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)

Wie eine Familie

Photograph Watching the sun set by Vanessa Kay on 500px

Lieber Chef vom Ganzen. Ich arbeite in einer grossen Personalvermittlung (sagt man heute zwar nicht mehr, obwohl verständlicher als Human-Resource-Management). Das Erstaunliche ist, dass ich gerne hier arbeite. Es ist die erste Stelle, die ich länger als ein halbes Jahr mache, im Herbst sind es zwei. Mein Problem ist, dass ich das Gefühl habe, etwas zu verpassen, wenn ich hier sitzenbleibe. Immerhin habe ich studiert. Aber die Abteilung ist wie eine Familie. Ich klinge sentimental, ich weiss. (Lese Ihre Kolumne sehr gerne.). Tom, Sachbearbeiter, 30

Lieber Tom

Schon bald werden Sie Abschied nehmen. Ja, es wird weh tun. Man wird Ihnen von ganzem Herzen Glück wünschen. Denn man mag Sie, dort, wo Sie jetzt sind. Aufrichtig und ehrlich. Und trotzdem. Sie brechen auf, gehen weiter, um eine neue Welt zu entdecken. Bei einem neuen Arbeitgeber. Neue Aufgaben werden Sie erwarten. Neue Kolleginnen und Kollegen. Freuen Sie sich auf das Kribbeln im Bauch. Die Ungewissheit. Und das gute Gefühl, das Richtige zu tun. Das Richtige für Ihre berufliche Zukunft.

Sie verfügen über das Privileg, aus einem wunderbaren Umfeld heraus etwas Neues anzugehen. Das ist es, was sich alle Eltern für ihre Kinder wünschen. Deshalb tragen sie sie auf Händen, bevor sie auf eigenen Füssen stehen.

Aber Sie sind ja kein Kind mehr. Die positive Erfahrung bei der Personalvermittlung (okay, sagen wir Human-Resource-Management) im Rucksack macht Sie für Arbeitgeber äusserst attraktiv. Denn Bewerber, die aus Frust, Verzweiflung oder Not nach einer Stelle lechzen, hinterlassen meist ein zwiespältiges Gefühl. Man möchte ihnen einerseits helfen. Als vorbildlicher Arbeitgeber mit sozialem Gewissen. Sucht aber andererseits eigentlich nach jemandem, der einem selbst hilft.

Sie haben nach dem Studium und diversen schlechten Erfahrungen, die wir jetzt einfach ausblenden, endlich eine Stelle gefunden, die Ihnen Sicherheit, Bestätigung und Wohlbefinden bietet. Ich bin sicher, Sie werden viele Jahre lang an diese Abteilung zurückdenken. Mit Wehmut. Mit Bedauern. Mit einem Stich im Herz. Und sie dennoch als perfektes Sprungbrett nutzen, um in die nächste grössere Herausforderung einzutauchen.

Mit einem doppelten Salto
Ihr Chef vom Ganzen

Bild: 500px (CC BY 3.0)