Kategorie: Karriere
Nichts zu tun
Lieber Chef vom Ganzen. Ich habe nichts zu tun. Ich meine damit: Ich sitze da, bekomme Gehalt, habe aber keine Arbeit. Wenigstens so gut wie keine. Und irgendwie merkt das niemand. Und ich merke, dass ich mich langsam daran gewöhnen könnte. Soll ich? Lars, 44, Elektrozeichner
Lieber Lars
Vielleicht sollten Sie tatsächlich. Zumindest noch für eine kurze Zeit. Als Training für später. Denn in etwas mehr als zwanzig Jahren werden Sie sich in der exakt gleichen Situation wiederfinden. Nur haben Sie dann keine Wahl mehr. Sie werden dasitzen, ohne Arbeit oder zumindest so gut wie keiner. Niemand wird es merken. Und Sie werden trotzdem ein Gehalt kriegen. Vom Staat. Weil Sie pensioniert sind.
Viele frisch gebackene Pensionäre kämpfen, ja hadern mit dem Wegfall einer der grössten Konstanten im Leben. Und ich meine damit nicht die Frau, die ihnen jeden Abend ein Feierabendbier auf den Tisch stellt. Mit dem Nichts umgehen zu können, dürfen Sie als grosse Stärke werten. Falls Sie dabei gar in einen Zustand höchsten Glücks geraten, sollten Sie sich dem Studium fernöstlicher Philosophen widmen. Die werden Ihnen den Weg ins Nirwana weisen.
Bis dahin empfehle ich Ihnen, sich schleunigst bei Ihrem Vorgesetzten zu melden. Damit er Sie aus dem meditativen Dämmerzustand rausholt und Ihnen neue Aufgaben und Probleme aufhalst. Bestehen Sie auf Herausforderungen, die Sie beruflich fordern und persönlich weiterbringen. Und auf die Sie in zwei Jahrzehnten stolz zurückblicken. Wäre doch jammerschade, wenn Sie Ihren Enkeln nur die unendliche Geschichte vom Nichts erzählen könnten.
Mit Zen und Ommmmm
Ihr Chef vom Ganzen
So peinlich
Lieber Chef vom Ganzen. Ich habe meine neue Stelle vor drei Wochen angetreten. In dieser kurzen Zeit sind mir mehrere peinliche Dinge passiert. Ich wollte zum Beispiel einer Kollegin einen Gefallen tun, die sich jeden Tag frischen Orangensaft presst und habe ihr sämtliche Orangen geschält. Mir war nicht klar, dass man das nicht sollte. Einmal kam ich mit einem Kater ins Büro, ein Kollege gab mir ein Alka-Seltzer, und ich dachte, man müsse die lutschen. Ich habe mitten in der Kantine vor der ganzen Belegschaft geschäumt. Und den dritten Vorfall verschweige ich, weil er einfach zu peinlich ist. Ich habe das Gefühl, dass ich jetzt tun kann, was ich will, bei dieser Firma werde ich für alle Zeiten den Ruf des Schussels haben. Bleibt mir nur der schnelle Wechsel? Georg, 29, Versicherungsmathematiker
Lieber Georg
Sie sind hilfsbereit, zuvorkommend gar. Und Sie schlucken, respektive lutschen auch mal was weg, wenn es Ihnen dreckig geht. Das sind grossartige Charaktereigenschaften. Dafür wird man Sie in dieser Firma noch lieben. Vorausgesetzt, Sie zeigen nicht nur bei den Dossiers Orangen und Alka-Seltzer Eigeninitiative.
Peinlichkeiten machen Sie nur allzu menschlich. Die passieren überall. Mal kommt ein Blumenstrauss bei der falschen Person an, mal geht eine Läster-E-Mail ungewollt an alle, mal wandert die Krawatte des Chef in den Schredder. So lange Sie nur Ihre eigene Ehre verletzen, sind Sie auf der sicheren Seite. Aber aufgepasst: die Grenze zum Fremdschämen liegt nicht weit.
Vielleicht wagen Sie sich das nächste Mal auf Terrain vor, das Sie kennen. Kaffee? Kuchen? Gipfeli? Versicherungsmathematik? So gewinnen Sie Vertrauen in Ihre Aktionen. Verwechseln Sie diese Strategie nicht mit Anpassung. Verbiegen Sie sich nicht. Bleiben Sie sich selbst. Sonst enden Sie über kurz oder lang in einer Stresssituation. Und machen eine Dummheit, die nicht mehr peinlich ist, sondern gefährlich.
Ein gutes Rezept, Kontakte zu knüpfen, heisst, sich für den Feierabend zu interessieren. Mit Ihrer schusselig-liebenswürdigen Art finden Sie im Betrieb bestimmt ein paar Kollegen, mit denen Sie am nächsten Morgen gemeinsam ein Alka-Seltzer schlucken. Und am Abend zuvor über die Orangen lachen können. Das verbindet.
Den Job wechseln würde ich erst dann, wenn Ihnen kein Mitarbeiter mehr Mut zuspricht, sondern Sie hinter vorgehaltener Hand belächeln und/oder Fotos von Ihrem geschäumten Mund bei Facebook auftauchen.
Mit frisch gepresstem Orangensaft
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC-SA 3.0)
Zwischen zwei Zweigen
Lieber Chef vom Ganzen. Ich suche dringend einen neuen Job. Im Moment halte ich mich mit Freelance-Aufträgen über Wasser. Und der Pegel steigt sogar ziemlich gegen Hochwasser, es läuft gut. Nun habe ich durch persönliche Beziehungen ein Job-Angebot in der Kommunikationsabteilung eines Grossunternehmens erhalten. Job wäre interessant, Lohn gut, das Drumherum sehr gut. Habe mit Bekannten gesprochen, die dort arbeiten – und zufrieden sind. Dann habe ich mich noch auf eine Stelle regulär beworben. Auch in der Kommunikationsabteilung einer grossen Dings. Job wäre interessant, Lohn sehr gut, Drumherum gut. Unterschied zum anderen Job: Ich bin eine Bewerberin unter vielen und kenne dort niemanden. Das Problem ist, dass wohl noch nicht feststehen wird, ob das mit Job B etwas wird, wenn ich bei Job A zusagen muss. Soll ich nun den fetten Spatz in der Hand nehmen oder den Vogel auf dem Dach, der vielleicht nicht mal ne Taube ist? Eva, 33, Kommunikationsirgendwas
Liebe Eva
Die Frage ist, wie gut Sie sich mit Vögeln auskennen. Spatzen und Tauben sind weit verbreitet. Wenn nicht gar eine Plage. Mit Ihrer Qualifikation dürfen Sie stets mit guten Angeboten von Grossunternehmen rechnen, um im Schwarm geordnet Richtung Süden mitzufliegen. Natürlich hilft es, wenn Sie bereits den einen oder anderen Vogel im Betrieb kennen und wissen, wie der Wind pfeift. Und weil Erfolg im Business auf Beziehungen gründet und nicht auf Ungewissheit, empfehle ich Annahme von Job A.
Schöner aber als der Spatz in der Hand, ist die Taube auf dem eigenen Dach. Der spannendste Job heisst weder A noch B. Sie üben ihn bereits aus. Als Freelancerin verfügen Sie über etwas, um was Sie unzählige Spätzchen und Täubchen in den Konzernkäfigen beneiden: Freiheit. Sie sind das Rotkehlchen, der Kanarienvogel, der Pfau, der Strauss, der Adler, die Exotin, die Ihre eigene Flugbahn bestimmt. Nicht immer das gemütlichste Nest. Aber Ihr eigenes.
Überlegen Sie gut, ob Sie die vielleicht aus der Not gewonnene Selbständigkeit nicht zur Tugend machen wollen. Beziehungen zu Grossunternehmen bestehen, diese in Aufträge umzumünzen, reizt Sie nicht? Es klingt nicht so, als müssten Sie hartes Brot essen. Sondern eher nach Expansion. Warum also nicht ein paar Spatzen für Sie pfeifen lassen, anstatt in den Käfig wandern und Konzernkörnli picken?
Mit dem Lockruf der Selbständigkeit
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)
Was sind Geschäftsideen wert?
Lieber Chef vom Ganzen. Wir haben neuerdings in der Kantine eine «Ideenbox». Jeder Angestellte kann Vorschläge zur «Verbesserung der Effizienz oder Steigerung des Umsatzes» auf eine Karte schreiben und reinwerfen. Jeden Monat wird ein Sieger gekürt, der dann einen zusätzlichen freien Tag erhält. Ich halte das für eine linke Tour. Ich hätte viele Ideen für eine massive Umsatzsteigerung, aber die gebe ich doch nicht für einen einzigen freien Tag her. Wie sehen Sie das? Rouven, 36, Product Manager
Lieber Rouven
Das ist keine linke Tour. Im Gegenteil. Die eigenen Mitarbeiter fragen und mitbestimmen lassen, ist ein lobenswerter Vorstoss des Managements. Und besser als eine Gruppe von HSG-Abgängern in McKinsey-Kostümen zu engagieren, deren Konzepte zur Steigerung von Effizienz, Umsatz und vor allem Gewinn meist darin gipfeln, dass die eine Hälfte der Mitarbeiter gehen muss und die andere Hälfte nur noch die Hälfte verdient.
Die jeweils beste Idee mit einem freien Tag zu honorieren, mag kleinlich klingen. Ist aber verdammt clever. Denn ein freier Tag ist für alle Mitarbeiter gleich viel wert. Egal auf welcher Stufe sie stehen, egal wie viel sie verdienen.
In jedem Betrieb schlummert kreatives Potenzial. Man muss es nur finden und nutzen. Lassen Sie sich darauf ein. Falls Ihre Ideen tatsächlich so massiv einschlagen wie Sie behaupten und jeden Monat abräumen, gewinnen Sie nicht nur einen freien Tag. Sondern auch den Respekt der gesamten Belegschaft. Und Sie empfehlen sich als der Mann mit den Gewinn bringenden Ideen.
Die Geschäftsleitung wird von alleine drauf kommen, dass Sie anstatt zwölf Tage im Jahr länger als alle anderen an der Sonne brutzeln, besser arbeiten würden. Um mit noch mehr Ideen noch mehr Umsatz zu generieren. Das macht Sie absolut unverzichtbar und wertvoll. Genau so werden Sie Chef.
Mit einem Sonnenbrand
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC-ND 3.0)
Apéro riche
Ich bin stellvertretender Niederlassungsleiter bei einer Regionalbank. In unserer Gegend gibt es pro Jahr etwa ein Dutzend Anlässe, an denen unsere Bank vertreten sein muss: Unternehmerpreise, Symposien, Handelskammer-Vortrag und so weiter. Mein Chef schickt immer mich, weil ihm die Abende heilig sind. Aber an jedem dieser Events gibt es einen Apéro riche. Dabei trinke ich wenig bis keinen Alkohol und werde dort richtig dazu genötigt, und meine Diätbemühungen werden auch jedes Mal torpediert wegen dem Gruppendruck. Ich mag nicht mehr, aber meine Kollegen sagen, es sei ein Karrierekiller, wenn ich darum bitte, dass jemand anders diese Anlässe abdeckt. Muss ich da einfach durch? Jürg, 38
Lieber Jürg
Den Alkohol und insbesondere den Weisswein verteufeln, das wollen wir nicht. Er wird nicht nur an Unternehmerpreisen, Symposion und Handelskammer-Vorträgen rege ausgeschenkt, sondern auch an den von Ihrem Chef gepriesenen heiligen Abenden.Als ehemaliger Ministrant weiss ich, dass unser Dorfpfarrer aus dem Kelch gar kein Blut getrunken hat, sondern 2/3 Fechy und 1/3 Wasser statt umgekehrt.
Früher bin ich an jeden Anlass gepilgert, der nach Networking klang. Freiwillig. Es war ein Stahlbad. Ein Verkaufsprofi gab mir den entscheidenden Tipp: harre aus bis zum bitteren Ende. Es stimmte immer. Wer zur Teilnahme verdonnert wurde, ging früh. Die schnappten nach dem Referat ihren Mantel, guckten wichtig auf Ihr Handy und weg waren sie. Bis zum Schluss blieben nur jene, die etwas suchten. Und es schliesslich fanden. Bei mir.
Natürlich hilft das eine oder andere Glas dabei auszuharren. Und wenn Sie wissen wollen, wie Sie einen Abend mit einem einzigen Glas Alkohol überstehen, fragen Sie mal einen Barkeeper. Aber darauf kommt es nicht an. Diese Anlässe sind eine Chance Ihre Karriere nach vorne zu treiben. An diesen Abenden sind Sie die Firma. Sie, und nicht Ihr Chef. Das ist Ihre Chance. Wenn Sie schon da sein müssen, nutzen Sie sie.
Verteilen Sie so viele Visitenkarten wie möglich. Und fragen Sie jeden mit dem Sie sprechen nach seiner Karte. Schicken Sie am Tag danach eine E-Mail und bedanken Sie sich für das Gespräch. Es gibt nichts, was Sie weiter bringt als Kontakte. Ein Apéro riche ist dafür die beste Gelegenheit. Trinken Sie ein Glas Weisswein, essen Sie ein Schinkengipfeli und feiern Sie sich.
Prost!
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Alexandra Thielges (CC BY-NC-ND 3.0)
Ein Tritt in den Hintern
In den letzten Jahren ist es beruflich bei mir etwas festgefahren – Sie verstehen wahrscheinlich ganz gut, was ich damit meine. Guten Ideen – auch für eine evtl. Selbständigkeit – hätte ich zwar genug, was mir aber immer ein bisschen Probleme bereitet, ist die Umsetzung. Wahrscheinlich fehlt es neben der ganzen Kreativität ein bisschen an Struktur, vielleicht auch an Macherqualitäten. Doch warum sollte ich diese bei mir nicht entdecken? Da ich nun aber gelesen habe, dass man als Selbständiger am Anfang das Meiste selbst und das auch ständig machen muss, mache ich mir dann doch noch etwas Sorgen. Ausserdem meinten schon viele meiner Freunde, dass ich einfach zu gut für diese Welt wäre, was doch eher schlecht für die Businesswelt ist. Trotzdem würde auch ich gerne mal den Ton angeben, besonders weil zu Hause die erste Geige schon jemand anderes spielt. Was soll ich machen? Können Sir mir einen Rat, etwas Mut oder auch einen verbalen Tritt in den Hintern geben? Thomas, 37 Jahre
Lieber Thomas
Es waren einmal zwei Mäuse. Beide wurden in einen Topf mit Sahne geworfen. Die eine Maus strampelte und strampelte aber gab bald auf und ertrank. Die andere strampelte so lange, bis sich die Sahne in Butter verwandelte und kletterte raus.
Beim Schritt in die Selbständigkeit geht es viel weniger um Ideen oder Kreativität oder Struktur oder Gutmütigkeit oder erste Geigen, sondern ums Strampeln. Sie können aus jeder halbwegs vernünftigen Geschäftsidee ein florierendes Business machen. Suchen Sie nicht zu weit. Beginnen Sie mit dem, was Sie verdammt gut können. Haare schneiden, Blumen binden, Autos reparieren, Gipfeli backen, Kleider nähen, Werbetexte auf Französisch übersetzen, Kinder hüten, Olivenöl anbauen, Taxi fahren, Kaffee kochen, Hamburger brutzeln.
Wenn Sie länger strampeln als die anderen, werden Sie als Sieger aus dem Topf steigen. Die Frage ist, was Sie zum Strampeln bringt. Und wie Sie strampeln. Zuerst zum was: Im Moment denken Sie zu viel nach. Über diese Idee und jene Möglichkeit und das könnte ich noch machen und das wäre auch noch interessant. Entscheiden Sie sich für etwas. Aus dem Bauch heraus. Aus dem Moment heraus. Geben Sie sich den Startschuss.
Dann strampeln Sie. Und zwar so: Sie nehmen den vermaledeiten Telefonhörer in die Hand und rufen ein paar Leute an, von denen Sie glauben, dass Sie bei Ihnen bestellen könnten. Und zwar noch bevor Sie ein Logo machen oder eine Broschüre zusammenbrünzeln. Definieren Sie drei, vier, fünf Wunschkunden und telefonieren Sie. Erzählen Sie denen, was Sie vorhaben anzubieten. Hören Sie gut zu. Die werden Ihnen 1:1 sagen, was an Ihrem Angebot interessant ist und wo noch Erfolgsreserven liegen.
Jetzt richten Sie Ihr Business nach den Bedürfnissen dieser Kunden aus und finden weitere Kontakte, die genau dasselbe wollen. Sobald Sie die ersten Aufträge erledigt haben, holen Sie Feedback ein, stellen das auf Ihre Website und schicken Mailings mit dem Link darauf an weitere Wunschkunden. Dann telefonieren Sie diese ab und vereinbaren einen Termin.
Es klingt so einfach. Und das ist es auch. Alle, die Ihnen etwas anderes erzählen, sind Angsthasen, Pessimisten, Neider oder andere Mäuse, die in der Sahne ersaufen.
Im Strampelanzug
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Andrius Petrucienia (CC BY-SA 3.0)
Mehr oder weniger Lohn?
Lieber Chef vom Ganzen. Ich habe ein Problem, das laut meinen Freundinnen keines ist, aber mich belastet es. Ich verdiene mehr als mein gleichaltriger Kollege, der exakt dieselbe Ausbildung und dasselbe Jobprofil hat wie ich und erst noch etwas länger im Betrieb arbeitet als ich. Es gibt keine vernünftige Begründung für diesen Lohnunterschied. Nun frage ich mich, ob mein Chef etwas will von mir, denn anders ist diese bevorzugte Behandlung doch gar nicht zu erklären? Tatjana, 25, Junior Consultant PR.
Liebe Tatjana
Schalten Sie den Fernseher ein. Da kriegen Sie es vorgeführt. Der Eine isst Würmer und Stierhoden für ein bisschen Ruhm auf RTL. Der Andere lässt für eine Million Dollar einen fremden Mann mit seiner Ehefrau schlafen. Es mag unmoralisch klingen, aber die nackte Wahrheit ist: jeder Mensch hat seinen Preis. Und dieser hat nur bedingt zu tun mit Ausbildung, Fachausweisen und Diplomen. Sondern mit Stolz, Würde und Erfahrung.
Das ist im Arbeitsleben nicht anders. Das Spiel heisst: Angebot und Nachfrage. Obwohl Ihr Chef von allen PR-Beratern dieselbe Leistung verlangt, ist er doch bereit für den einen oder anderen mehr zu zahlen. Menschen sind emotionale Wesen und entscheiden nicht rational. Nicht mal dann, wenn es um Maschinen geht. Oder weshalb kaufen die einen ein iPhone und die anderen ein Galaxy? Obwohl beide Geräte (fast) dieselben Funktionen bieten?
Wenn Sie trotz gleichem Jobprofil, gleicher Ausbildung und weniger Erfahrung mehr verdienen, bieten Sie Ihrem Chef offenbar einen Mehrwert. Das kann Ihr gewinnendes Auftreten sein, Ihre Durchsetzungskraft, Ihre Loyalität, Ihr Arbeitswille, Ihre positive Energie, Ihre unvergleichliche Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen, Ihr Talent, Kunden zu beschwichtigen, Ihr Humor, Ihr Drive, Ihr Witz, Ihr Parfüm oder einfach nur Ihre langen blonden Haare. Das kann 1001 Gründe haben.
Finden Sie heraus, was es ist. Fragen Sie Ihren Chef, Ihren Partner, Ihre Freunde. Gucken Sie in den Spiegel. Wenn Sie wissen, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen, besitzen Sie ein mächtiges Arsenal, das Sie zu Ihren und den Gunsten anderer einsetzen können. Beim nächsten Vorstellungsgespräch zum Beispiel oder bei der nächsten Lohnverhandlung.
Dass Sie den Wunsch hegen, gleich behandelt zu werden wie alle anderen, ich nehme an um der Harmonie willen, das kann ich verstehen. Ein ehrbarer Gedanke. Aber vergessen Sie nicht: Man kann nicht alle Menschen gleich behandeln. Weil sie nicht alle gleich sind. Das funktioniert nicht mal in der Armee. Worauf es ankommt, ist Fairness und Respekt. Das hält die Herde zusammen. So, und jetzt ist gut, ich klinge schon so, als könnte ich der nächste Papst werden.
In nomine Domini
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Paulo Cesar Lopes Pereira (CC BY-NC 3.0)
Wie werde ich Chef?
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin Sachbearbeiter in einem KMU mit 40 Leuten und stehe irgendwo in der Mitte der Hierarchie. Das heisst: Ich kann den Stift schicken, ùm Gipfeli zu holen, aber bei Sitzungen mit dem Kader muss ich meistens das Protokoll schreiben, wenn keine Sekretärin da ist. Meine Frage ist kurz und einfach: Wie werde ich Chef vom Ganzen? P. Geiger (29), Sachbearbeiter
Lieber Herr Geiger
Es beginnt damit, dass Sie die Gipfeli selber backen. Damit beeindrucken Sie Ihren Stift, das Kader und entwickeln das, was einen Chef ausmacht: Eigeninitiative.
Und gleich noch ein Tipp: Schreiben Sie das Protokoll fortan auch dann, wenn Ihre Sekretärin anwesend ist. Denn das Protokoll ist ein nicht zu unterschätzendes Macht- und Steuerinstrument. Anhand dessen lassen sich Sitzungen lenken und Entscheidungen herbeiführen. Es kommt darauf an, was Sie aus der Rolle des Protokollführers machen.
Sie ahnen es bereits. Chef sein hat mit Macht und Autorität zu tun. Und diese müssen Sie sich zuerst erarbeiten. Natürliche Autorität erhalten Sie, wenn Sie in den Augen Ihrer Mitarbeiter etwas besser können. Dann folgen sie Ihnen, weil sie darauf vertrauen, dass Sie es am besten drauf haben. Es lebt sich gut im Windschatten eines Siegers.
Streichen Sie Ihre Erfolge beim Kader hervor und machen Sie Ihre Mitarbeiter zu Komplizen. Die Treppe nach oben führt über die Schultern Ihrer Mitarbeiter. Wenn Sie es schaffen, dass Ihnen Gretel in den Wald folgt, haben Sie das Zeug zur Märchenkarriere.
Oder Sie gehen zurück auf Start. Als Gründer eines eigenen Unternehmens. Dann bestimmen Sie ab sofort alleine. Ohne Protokoll. Und die übrigen Gipfeli vom Frühstück essen Sie dann zum Znacht. Das Jungunternehmertum ist die Alternative zur Karriere als Konzernsoldat. Und macht aus eigener Erfahrung unheimlich viel Spass. Das Einzige, was Sie dazu brauchen, ist eine Idee, etwas Mut und einen Schuss Wahnsinn. Oder wie Steve Jobs es sagte: «Because the people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.»
Grosse Worte. Allerdings. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Meist liegen die Ideen näher als Sie glauben. Google, Facebook und Apple sind Ausnahmen. Sie können auch mit Hamburgern oder Kaffee erfolgreich sein. Die Frage ist, was Sie daraus machen.
Mit unternehmerischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Alpenbitter mit Krawatte
Lieber Chef vom Ganzen. Mein Kumpel und ich sind kürzlich nach dem ausgedehnten Feierabendbier dummerweise auf die Idee gekommen, noch einmal in der Bude vorbeizuschauen, weil dort immer eine Flasche Alpenbitter im Pausenraum steht. Sonst war niemand mehr da, und wir sind auf die zweite dumme Idee gekommen, die Krawatte des Chefs, die in seinem Büro hing, zu shreddern und mit den entstandenen Konfetti seinen Regenschirm zu füllen. Nun hat es sich bei der Krawatte aber offenbar um ein handgemaltes Unikat seiner verstorbenen Ehefrau gehandelt. Wie kann ich meine Gewissensbisse ohne teure Therapien bekämpfen? Anton, 32, Angestellter
Lieber Anton
Schmal ist der Grat zwischen Einfall oder Abfall. Sehr schmal sogar. Das durfte ich in den Kreativabteilungen diverser Werbeagenturen immer wieder erleben. Ideen finden geht meist wie von selbst. Besonders in dem bitteren Zustand, in dem Sie und Ihre Kumpel sich befanden. Die Kunst besteht darin Gutes von Bösem zu unterscheiden.
Dafür braucht es einen Creative Director. Oder einen Nachtwächter. Einen wie Christoph Meili, der Heikles vor dem Shredder rettet. Bei so aussergewöhnlich kreativen und engagierten Mitarbeitern wie Ihnen, die freiwillig Überstunden im Büro leisten und Privates von Geschäftlichem nicht trennen, hätten beide Stellen ihre Daseinsberechtigung.
Von einer teuren Therapie würde ich in diesem Fall absehen. Nicht aber von einer ehrlich gemeinten Entschuldigung. Ob Sie und ihr Kumpel lieber Krawatten anmalen oder einen schönen Schirm aussuchen, überlasse ich Ihnen. Auf jeden Fall würde ich fürs Erste das Pausengetränk ersetzen. Warum nicht eine 500g Dose Ovomaltine mit persönlichem Schriftzug bestellen? Mit dem Wunschtext: Alpenbitter.
Mit einem Prosit
Ihr Chef vom Ganzen
Wie kriege ich mehr Lohn?

Lieber Chef. Ich will eine Lohnerhöhung. Nicht mehr und nicht weniger. Ich arbeite als Journalistin, seit mittlerweile 5 Jahren beim gleichen Arbeitgeber. In dieser Zeit ist mein Lohn insgesamt um 350.- gestiegen. Das ist besser als nichts, aber wenn ich es vergleiche mit den Veränderungen in meinem Jobprofil, dann ist es zu wenig. Ich habe heute viel mehr Verantwortung und das muss auch mehr Geld wert sein. Ihnen kann ich das ja so einfach sagen. Aber beim Mitarbeitergespräch nächsten Monat schaue ich meinen Chef an und kriege wieder kein Wort raus. Mich selbst verkaufen, das kann ich einfach nicht. Wie soll ich das Thema ansprechen, damit es diesmal endlich klappt mit der Lohnerhöhung? Petra (39), Journalistin
Liebe Petra
Der Journalismus hat grundsätzlich ein Problem. Gut möglich, dass am nächsten Mitarbeitergespräch nicht nur Sie, sondern auch ihr Chef kein Wort rausbringt. Das böse Internet beschert den Verlegern derzeit die eine oder andere Schweigeminute.
Für ein Gespräch könnte der Zeitpunkt dennoch nicht idealer sein. Denn in schwierigen Zeiten werden Produktionsprozesse und Angebote hinterfragt. Gehen Sie davon aus, dass er verzweifelt nach einer Lösung sucht, wie er mit weniger mehr erreichen kann. Ein guter Chef tut dies übrigens auch in guten Zeiten.
Sie tun bestimmt gut daran, Ihr Ansinnen für eine Lohnerhöhung nicht als Forderung sondern als Angebot zu betrachten. Offerieren Sie ihm eine Lösung für sein Problem statt ein neues Problem.
Um Sie zufrieden zu stellen, hat er ihr Jobprofil bisher stetig mit neuen spannenden Aufgaben erweitert und dafür beim Lohn still gehalten. Drehen Sie den Spiess jetzt um. Wenn Sie es sind, die neue Ideen für Ihren Job bringen, können Sie auch Bedingungen daran knüpfen. Statt umgekehrt.
Generell fahren Sie besser bei Lohngesprächen nicht nur mit dem zu argumentieren, was Sie bereits getan haben, sondern auch mit dem, was Sie bereit sind noch zu leisten.
Mitarbeiter vergessen bei diesen Gesprächen oft, dass es nicht nur um sie und ihre Wünsche und Träume geht. Sondern auch um die ihrer Vorgesetzten und des Unternehmens. Finden Sie heraus, was Ihr Chef erreichen will und was Sie ihm anbieten können, das sich mit Ihren Zielen in Einklang bringen lässt, dann gewinnen beide.
Natürlich hängt der Spielraum bei einer Lohnerhöhung immer auch vom Unternehmensgang und der allgemeinen Wirtschaftslage ab. Aber Sie wären überrascht, wie flexibel Chefs beim Lohn sind, wenn eine Mitarbeiterin plötzlich Lösungen anbietet statt Forderungen und Probleme schafft.
Mit grosszügigen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC-SA 3.0)