Kategorie: Karriere
Lesebestätigungen – Fluch oder Senden?
Hallo Chef vom Ganzen. Ich bin selbstständig und habe Probleme mit Mails. Mails mit Lesebestätigung. Das ist so was von übel, dass ich reflexartig auf „Nein – keine Lesebestätigung senden“ drücke. Ich bin unsicher wie ich die „Anforderer“ einer E-Mail Lesebestätigung einstufen soll. Sind das zu klein geratene Warmduscher die Ihr Ego aufbessern, indem Sie völlig belanglose Inhalte – über den fantasielosen Umweg einer Lesebestätigung – als „wichtig“ platzieren? Oder ist meine Affekthandlung eine Abwehrhaltung gegenüber Personen, die wichtige Inhalte auch als solche bestätigt haben wollen? Wer hat eigentlich diese Funktion erfunden? E-Mail als Kommunikationsmittel ist schon übel genug. Aber mit Lesebestätigung geht gar nicht. Lieber Chef vom Ganzen. Wie bringe ich jemandem bei, der alle seine Mails mit Lesebestätigung versendet, dass es auch in seinem Mailprogramm einen Knopf gibt, wo man das ausschalten kann? Heinrich (41), Geschäftsführer
Lieber Heinrich
Am 1. Februar 1991 fasste sich die Schweizerische Post ein kaltes Herz und führte die Zweiklassengesellschaft ein. Und erntete prompt kübelweise Spott. Denn obwohl von den SBB bekannt, erwies sich das System als gewöhnungsbedürftig. Für Sender und Empfänger. Die Presse höhnte damals: A-Post nach Australien, B-Post nach Belgien.
Nun, danach kräht kein Hahn mehr. Denn heute wird alles Express verschickt. Auf Knopfdruck. Per E-Mail. Und weil bestimmt auch Sie sicher gehen möchten, dass unsere Nachricht in der richtigen Mailbox und nicht im Spam-Dschungel Australiens gelandet ist, haben findige Programmierer die Lesebestätigung entwickelt. (Gilt nicht für Obama. Der liest auch ohne Bestätigung mit.)
Schnell war das Eis der Skepsis gebrochen, die Funktion Schnee von gestern. Eine der erfolgreichsten Apps überhaupt baut auf einer automatischen Lesebestätigung auf: Whatsapp. Und in jedem anständigen (und unanständigen) Messenger sehen Sie heute sofort, wer empfangsbereit ist. Noch bevor Sie überhaupt eine Nachricht verfasst haben.
Kämpfen Sie nicht gegen Lesebestätigungen an. Nutzen Sie sie zu Ihren Gunsten. Klicken Sie ab sofort reflexartig auf Lesebestätigung senden statt umgekehrt. Die Kunden lieben Selbständige, die sofort reagieren und immer verfügbar sind. Sorgen machen müssen Sie sich als Selbständiger erst, wenn es den Absender nicht mehr interessiert, ob Sie seine E-Mail gelesen haben. Oder wenn Sie nur noch B-Post erhalten.
Mit Lesebestätigung
Ihr Chef vom Ganzen
Der Sesselkleber und die Nachfolgeregelung
Sehr geehrter Chef vom Ganzen. Ich arbeite nun seit 5 Jahren in einer sehr kleinen Firma. Wir sind 4 Mitarbeiter und es hat sowohl Vor- als auch Nachteile in einer Firma dieser Grösse zu arbeiten. Jeder muss irgendwie ein Bisschen von allem machen damit alles klappt. Kernpunkt meiner Anfrage: Mein Chef wird ende Jahr pensioniert und will mir eigentlich die Nachfolge irgendwie übergeben. Allerdings macht er das nicht wirklich. Das heisst anstatt Arbeit abzugeben macht er immer noch alles selber, oder mischt sich überall ein und gibt die Arbeit nicht wirklich ab. Gewisse Sachen werden so zweimal gemacht und andere bleiben ganz auf der Strecke liegen. In andere Bereiche hatte ich noch nicht einmal Einblick. Ende Jahr ist sehr sehr bald und mich ereilt schon beinahe „Torschlusspanik“ wenn er nicht bald damit beginnt, mir gewisse Sachen komplett zu überlassen… Er ist mein Chef – ich kann ihm das nicht verbieten – auf der anderen Seite hat er mir einen Job aufgetragen den ich nicht ausführen kann, wenn er selber ständig mitmischt und alles abändert oder selber irgendwie macht. Was kann ich tun? Ramon (28), Stv. GL / Verkaufsleiter
Lieber Ramon
Sie haben es mit einem klassischen Sesselkleber zu tun. Die trennen sich nur ungern von ihrem Sessel. Vor allem nicht, wenn es sich um den Chefsessel handelt. Und so gut wie gar nicht, wenn sie den Sessel erfunden haben.
Fall es sich bei Ihrem Chef um den Firmengründer oder Besitzer handelt, würde ich gar nicht erst versuchen, ihm diesen Sitz streitig zu machen. Sondern einen Neuen bauen. Träumen Sie manchmal davon, wie es sein wird, wenn Sie der Chef sind? Wohin werden Sie die Firma führen? Mit welchen Produkten wollen Sie bei welchen Kunden erfolgreich sein? Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in fünf Jahren? Wie viel Umsatz und Gewinn werden Sie generieren? Entwickeln Sie eine Vision. Und reden Sie mit Ihrem Chef darüber. Sie sind jung und er glaubt an Sie.
Sein Vertrauen zu gewinnen, muss bis Ende Jahr Ihre wichtigste Aufgabe sein. Überraschen Sie ihn mit neuen Kunden und Aufträgen. Das haut ihn vom Hocker. Und löchern Sie ihn mit Fragen. Spannen Sie ihn ganz früh bei allem ein, was Sie tun wollen und fragen Sie nach seinem erfahrenen Rat: «Bald werde ich das alleine machen müssen, hast du mir einen Tipp?»
Damit er gar nicht die Gelegenheit bekommt, sich einzumischen. Weil Sie ihn involvieren. Die älteren Semester lieben es, von sich und den guten alten Zeiten zu erzählen. Mit geduldigem Zuhören werden sie zutraulich. Und bestimmt können Sie noch das Eine oder Andere lernen.
Sie kriegen das hin. Und sonst schreiben Sie mir wieder. Ich bin auch schon bald Vierzig.
Mit Grüssen aus dem eigenen Sessel
Ihr Chef vom Ganzen
Wie finde ich eine Geschäftsidee?
Guten Abend. Mein Name ist Steve Gilgen und ich komme aus der Schweiz. Leider ist mein Berufsleben bisher nicht gut verlaufen und einen Abschluss besitze ich leider auch nicht. Habe in schon fast allen Berufen im Baugewerbe gearbeitet, was mir aber gar nicht mehr zusagt. Ich und mein Kollege haben angefangen uns um zu schauen wie wir mit Import/Export unser Geld verdienen. Er hat bereits angefangen mit Western Reitsättel für Pferde, die er aus Paraguai importiert, aber er hat als guten Kontakt seinen Vater, der seit fast 20 Jahren in Paraguai lebt. Ich hab mir schon nächtelang Internetseiten um die Ohren geworfen und komme auf einfach gar keine Kontakte oder Tipps, wie ich da einsteigen kann oder Hilfe bekomme. Es wäre ein Traum endlich mit Herzblut Geld zu verdienen. Ich hoffe, Sie können mir Tipps geben. Steve Gilgen, Messebauer, 27.
Lieber Steve
Sie werden es schaffen. Das Wichtigste für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäfts steckt in Ihnen. Auch ohne Abschluss. 1975 brach Bill Gates sein Mathematikstudium an der Harvard University ab. Mark Zuckerberg verabschiedete sich 2006 in Harvard ebenfalls ohne Diplom.
Sie benötigen auch kein (eigenes) Geld. Das holen Sie sich bei Investoren. Das Einzige, was Sie unbedingt brauchen, ist der unbedingte Wille es zu schaffen. Und den haben Sie doch. Oder etwa nicht? Eben. Dann fehlt nur noch eine Geschäftsidee für die Sie Ihr Herzblut vergiessen. Und zwar in Strömen.
Diese Idee finden Sie weder im Internet noch in irgend einem Ratgeber. Viel einfacher. Reden Sie mit Ihrem Vater. So wie Ihr Kollege mit den Reitsätteln. Sprechen Sie mit Ihrer Freundin, Ihrer Mutter, Ihren Freunden. Reden Sie für einmal nicht über Autos und Fussball. Sondern über Probleme. Kleine, alltägliche Probleme, die Sie umtreiben. Finden Sie heraus wofür es noch keine Lösung gibt. Oder was Sie besser machen würden.
Das kann ein besserer Kaffee sein (Starbucks), ein besserer Hamburger (McDonalds), ein günstigeres Kilo Mehl (Migros), ein schönerer Nagellack (Maybelline). Suchen Sie nicht zu weit. Es müssen nicht Reitsättel für Delphine sein. Wenn Sie der bessere, günstigere, verlässlichere oder einzige Coiffeur, Bäcker, Automechaniker, Spengler, Treuhänder, Maler, Bauunternehmer im Dorf sind, werden Sie erfolgreich sein.
Schreiben Sie auf worin Sie besser sind oder sein wollen als alle anderen. Dann haben Sie Ihre Idee. Und wenn Sie auch noch jemanden finden, der Ihnen Geld dafür gibt, damit Sie das tun, was Sie am besten können, dann haben Sie nicht nur eine Idee, sondern ein Business. Folgen Sie Ihrem Herz und Ihrem Bauchgefühl.
Sobald Sie eine Business-Idee haben, holen Sie sich kostenlose Unterstützung bei der Firmengründung. Und wenn nicht, kriegen Sie von mir hier nochmals einen Tritt ein den Hintern.
Mit Sporen am Fuss
Ihr Chef vom Ganzen
Die lahme Ente
Lieber Chef vom Ganzen. Knapp vor der magischen 50er-Grenze kann ich mich beruflich noch einmal verbessern und habe einen neuen Job ergattert. Diesen werde ich allerdings erst in einem Jahr antreten, weil meine künftige Firma gerade in Umstrukturierungen steckt. Ich habe eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Aus Fairness gegenüber meinem heutigen Arbeitgeber würde ich gerne schon heute klar Schiff machen. Meine Kollegen raten ab. Sie sagen, ich sei danach im Betrieb eine Lame Duck. Was meinen die damit und was droht mir da? Tobias W., 49. Bereichsleiter Logistik
Lieber Tobias
Ihnen droht das gleiche Schicksal wie George W. Bush 2008 und Bill Clinton 2000. Als Lame Duck («lahme Ente») wird im US-Wahlsystem bezeichnet, wer in absehbarer Zeit aus seinem Amt scheidet. Weil er seine Wiederwahl verloren hat, nicht mehr wiedergewählt werden darf oder auf eine Wiederwahl verzichtet. Eine Lame Duck gilt als eingeschränkt handlungsfähig.
Anders gesagt: Niemand legt die Hand ins Feuer für jemanden, der das Feuer bald selber löscht. Ausser für Ottmar Hitzfeld. Und auch das nur, weil ihm die WM in Brasilien zu Füssen liegt. Ihre Kollegen haben Recht. Wird Ihr neuer Job publik, stehen Sie im Abseits. Und erhalten kaum mehr einen brauchbaren Pass. Werden vielleicht sogar ausgewechselt und schmoren die letzten Monate auf der Ersatzbank. Oder werden gekündigt.
Ihre wahrscheinlich beste Option: Sie könnten kurz vor der magischen 50er-Grenze endlich nackt durch Thailand trampen, den Highway-Number-One auf einer Fat Boy runterbrettern, mit der Familie eine halbes Jahr in den Yukon auswandern. Oder sich einen anderen lang gehegten Bubentraum erfüllen.
Sie halten mit Infos zu Ihrem neuen Job so lange wie möglich zurück. Oder kündigen sofort. Und lassen ihren Träumen Flügeln wachsen. Es ist Ihr Leben. Quack!
Mit geflügelten Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Von der Bäuerin zur Texterin
Sehr geehrter Chef vom Ganzen. Als ich im Internet, wie schon unzählige Male zuvor recherchierte wie ich in Zukunft meinen Lebensunterhalt für mich und meine Tochter verdienen soll, „landete“ ich auf Ihrer Seite. Ja, Sie sehen beziehungsweise lesen, ein schlimmes Deutsch! Genau deswegen schreibe ich Ihnen. Ist es möglich einer 49 jährigen (ich bin wirklich nicht jünger, auch wenn ich so aussehe!) untalentierten, ehemaligen Bäuerin mit höherer Fachprüfung inkl. Betriebsleiterin mit eidg. Diplom, jahrelange Instruktorin und Kursleiterin, das Schreiben beizubringen? Ich interessiere mich für den Texter-Lehrgang in Bern, doch ich habe da so meine Bedenken, weil ich nicht cool schreiben kann. Es würde mir grossen Spass machen lernen zu schreiben, denn ich habe viele Ideen und konnte schon einige Visionen erfolgreich umsetzen. Z.B. säte ich Kräuter und Blumen in meinem Garten, verarbeitete sie dann zu Salben und Ölen und verkaufte sie an dem selbst organisierten Weihnachtsmarkt.. Es gab noch einige andere Projekte die ich erfolgreich realisierte. Doch dann kam die Trennung und die Scheidung nach 21 Jahren und damit auch mein Problem, was arbeitest Du jetzt. Der Arbeitsmarkt sucht keine „alte Frau“ die in der Landwirtschaft ausgebildet ist und einen unglaublichen Mutterinstinkt besitzt. Nein der Arbeitsmarkt sucht junge, dynamische und kreative Menschen. Eigentlich finde ich mich noch jugendlich (ausser am Morgen um 6.00 wenn ich in den Spiegel sehe!) So nun endlich komme ich zu meiner konkreten Frage: Empfehlen Sie mir den Texter-Lehrgang? Ist es realistisch (bitte seien Sie ehrlich!) das ich mich nochmals umschulen lasse und in Zukunft meinen Lebensunterhalt als Texterin verdiene, obwohl ich nicht wirklich gut schreibe? Herzliche Grüsse, Béatrice C. (49), Bäuerin HFP, Instruktorin, Kursleiterin
Liebe Béatrice
Mit dem Schreiben ist es wie mit der Landwirtschaft. Manch Gutes wächst auf einem Haufen Mist. Zwei Faktoren bedingen Gedeih oder Verderb. Zum einen die Erfahrung. Nur wer weiss, wie man sät, giesst, düngt und stutzt, wird am Ende etwas ernten. Zum anderen die Menge. Mehr ist mehr. Je mehr Sie schreiben, desto besser werden Sie. Ernest Hemingway schrieb die letzten Sätze seines Romans «In einem anderen Land» 47 Mal um.
Sie haben einen grünen Daumen. Ob der auch auf eine Tastatur passt, liegt ganz bei Ihnen. Der Texter-Lehrgang macht aus Ihnen keine Texterin. Texterin sind Sie dann, wenn Sie eine sein wollen. Ob Sie Talent haben, finden Sie heraus, wenn Sie mit Freunden ins Kino gehen. Die Meisten können kaum die Handlung richtig zusammenfassen. Und dann gibt es jene, die nach jedem noch so langweiligen Film etwas Spannendes, Intelligentes, Berührendes, Witziges oder Unterhaltsames erzählen.
Lernen kann man das nicht. Das Schwierigste am Schreiben ist, zu wissen, was man schreiben will. Dafür braucht es spannende Gedanken, überraschende Ideen. Manchmal fliegen sie einem zu. Meistens denkt man lange nach. Verdammt lange. Dynamisch und jugendlich zu sein, hilft dabei nicht. Im Gegenteil. Ein Autor ist die Summe seiner Erfahrungen, heisst es doch so schön. Und seiner Vorstellungskraft.
Diese Gedanken und Ideen in Worte fassen dagegen ist pure Übungssache. Ähnlich dem Klavierspielen. Kann jeder lernen. Zum Beispiel im Texter-Lehrgang. Ob ein Text gut klingt – Geschmackssache. Das Publikum entscheidet.
Ich fand Ihre Frage interessant. Die Formulierungen grauenhaft. Wenn Sie wirklich schreiben wollen, dann schreiben Sie. Mit Ihrem bäuerlichen Background stehen die Sterne gut. Martin Suter, ehemaliger Werbetexter und Bestseller-Autor, nennt sich heute Gentleman-Farmer. Texter, Musiker, Künstler und Tausendsassa Dieter Meier betreibt in Argentinien eine Rinderfarm. Und baut eigenen Wein an.
Vom Texter zum Bauer. Das hatten wir schon. Ich bin gespannt, ob Sie den umgekehrten Weg schaffen.
Mit bestem Dünger
Ihr Chef vom Ganzen
Die Stinkwurzel
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin Mandatsleiterin und habe fast ausschliesslich angenehme Kunden. Mit einer Ausnahme. Der eine Kunde schikaniert mich, kritisiert meine Arbeit andauernd, ruft um elf Uhr abends wegen irgendwelcher Details an und liefert seine Unterlagen ganz bestimmt absichtlich in einem lausigen Zustand ab. Ich bin Profi und behalte diese Probleme intern für mich. Nun habe ich einen überehrgeizigen jungen Kollegen, der sich für den Grössten hält und am liebsten alle Mandate für sich hätte. Ist es unmoralisch, ihm meine „Stinkwurzel“ ohne Vorwarnung und unter einem Vorwand abzutreten? Susanne W., 32, Treuhänderin
Liebe Susanne
Es kommt ganz darauf an, wie fest die Wurzel wirklich stinkt. Respektive wem sie stinkt. Sie sehen Anrufe um elf Uhr abends als Schikane, empfinden Kritik an Ihrer Arbeit als Problem. Eines, das Sie intern für sich behalten. Da sind Sie ja ganz Profi.
Vermeintlich. Denn ein Profi sieht im Problem nicht das Problem. Sondern die Aufgabe. Die Herausforderung. Die Hürde. Die nächste Stufe nach oben. Und ein Profi behält Probleme nicht für sich. Er schafft sie aus der Welt. Erfolgreiche Arbeitnehmer tragen die heisse Kartoffel nicht einfach ins Chefbüro weiter, sie schlagen Lösungen vor: Pommes oder Rösti.
Mit der Weiterleitung der Stinkwurzel an den jungen Heissporn tun Sie nichts Unmoralisches. Sie geben ihm eine Aufgabe. Eine schwierige zwar, aber falls er sie löst, und er wird alles dafür tun, weil er sich für den Grössten hält, befeuern Sie damit seine Karriere. Auf Ihre Kosten.
Es gibt nur einen Weg, den Kampf um Mandate zu gewinnen. Packen Sie das Problem bei der Stinkwurzel. Nehmen Sie um 23 Uhr den Anruf entgegen. Und lösen Sie das Problem.
Mit unmoralischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Zwölf mal besser
Lieber Chef vom Ganzen. Im Zusammenhang mit dieser 1:12-Initiative habe ich mit einigen Kollegen nach Feierabend über Löhne diskutiert. Zuerst ganz allgemein, aber nach ein paar Bier sind plötzlich konkrete Zahlen gefallen. Wir waren zu fünft, und das Resultat: Wir sind alle enttäuscht. Wir haben alle die gleiche Funktion und ähnliche Qualifikationen und verdienen alle völlig unterschiedliche Beträge. Jeder von uns ist sauer, weil mindestens ein anderer mehr verdient als er. Und der Bestverdienende ist unzufrieden, weil er weniger verdient als sein Freund in einem anderen Unternehmen. Aber wir können ja nun nicht zu fünft gemeinsam in Lohnverhandlungen gehen, oder wie siehst du das? Sascha R., 29, Elektrozeichner
Lieber Sascha
Gleiches mit Gleichem vergelten ist unmenschlich. Davon rät sogar die Bibel ab. Auch wenn Sie und Ihre Feierabend-Kollegen dieselbe Schulbank gedrückt, dieselben Bücher studiert, dieselben Dozenten belächelt und am Ende dasselbe Stück Papier in der Hand halten – ihr seid nicht dieselben.
Zum Glück nicht. Menschen funktionieren nicht wie Roboter. Wir verfügen alle über eigene Hardware. Und laufen auf einem eigenen Betriebssystem. Die Software mit den Unternehmensprozessen muss bei jedem anders installiert werden. Klar, dass auch die Kosten dafür variieren. Genau wie die Ergebnisse. Weil jeder seine Funktion anders wahrnimmt, macht jeder einen anderen Job. Der notabene auch anders bezahlt wird.
Dann kommt der Faktor Zeit dazu. Haben sich im Frühling 50 Bewerber für eine Stelle gemeldet, dümpeln im Herbst nur noch drei herein. Angebot und Nachfrage beeinflussen den Lohn genauso stark wie Abschlussnoten, Berufserfahrung, Ausdrucksweise, Haarschnitt, Minirock und Verhandlungsgeschick.
Vergleiche anstellen ist nur allzu menschlich. Entscheidend ist, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Was empfinden Sie, wenn Sie an die höheren Löhne Ihrer Kollegen denken? Ungerechtigkeit? Enttäuschung? Wut und Frust? Oder Anerkennung und Respekt? Hoffnung? Chancen? Und die Motivation, alles zu geben, um sie zu übertrumpfen? Vielleicht sogar zwölf mal? Es liegt ganz bei Ihnen.
Mit 1:1-Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Volle Kraft voraus
Lieber Chef vom Ganzen. Bei einem Geburtstagsfest eines Freundes kam kürzlich eine Diskussion über Beruf und Karriere auf. Einer der Anwesenden fragte mich, wie meine Planung so aussehe. Ich habe ihm erklärt, ich könne mir durchaus vorstellen, bis zur Pensionierung bei meiner derzeitigen Firma und in meiner jetzigen Position zu verbleiben. Am Tisch wurde es schlagartig still, und ich habe das Gefühl, ich werde seither nicht mehr für voll genommen. Bin ich ein Auslaufmodell mit meiner Haltung? Martin, 41, Vorsorgeberater
Lieber Martin
Bestimmt kennen Sie den vielleicht emotionalsten Satz im Leben eines Menschen. Männer und Frauen sprechen ihn am schönsten Tag ihres Lebens aus: «Ja, ich will.» Privat trauen wir uns, treu zu sein. Für immer und ewig. Wir folgen einem Bedürfnis, das tief in unseren Köpfen und Herzen wurzelt: Zugehörigkeit.
Und das tun wir nicht nur privat. Auch im Geschäft besiegeln wir Zugehörigkeit mit einem Vertrag. Falls Sie verheiratet sind, wissen Sie nur allzu gut: zwischen Ehe- und Arbeitsvertrag besteht kein grosser Unterschied.
Ihre Haltung ist kein Auslaufmodell. Im Gegenteil. Jeder will irgendwo dazugehören. Auch Ihre Geburtstagsfreunde. Als Ehepaar, als Gruppe, im Rudel, im Klub – da sind wir stark. Es sind die einsamen Wölfe, die abgeschossen werden. Nicht nur im Wallis.
Ihre Befürchtung, nicht mehr für voll genommen zu werden, kann ich bedenkenlos zerstreuen. Männer mit Sinn für Treue stehen hoch im Kurs. Privat und geschäftlich. Denn einen neuen Ehemann oder Mitarbeiter einschulen, kostet Nerven, Zeit und Geld.
Dass es rund um Sie als loyal gesinnten Mitarbeiter still wurde, hängt wohl damit zusammen, dass sich kaum ein Arbeitnehmer mehr vorstellen kann, einem Betrieb ein Leben lang die Stange zu halten. In guten wie in schlechten Zeiten. Sie folgen lieber dem Erfolg. Hangeln sich aufwärts, von Firma zu Firma. Immer dort, wo es am besten läuft. Immer zu dem, der am besten bezahlt.
Opportunisten. Trittbrettfahrer. Passagiere auf der Suche nach einer günstigen Mitfahrgelegenheit. Aber nur, wenn Sie lange genug auf einem Boot bleiben, werden Sie es von der Kajüte bis zum Segel in und auswendig kennen. Und am Ende vielleicht sogar steuern.
Mit voller Kraft voraus
Ihr Chef vom Ganzen
Unter Erfolgsdruck
Lieber Chef vom Ganzen. Ich bin immer so wahnsinnig müde – weil es so wahnsinnig anstrengend ist, erfolgreich zu sein oder so zu tun als ob ich das wäre. Es ist auch blöd, dass ich nur Freunde habe, die auch alle wahnsinnig erfolgreich sind – aber irgendwie nie müde sind. Und alle legen so eine konstante und beängstigende Energie an den Tag, welche ich nicht mehr habe und alle sind sie sehr emsig in Sachen „wer mit wem und wer eher nicht“. Ich will bei dem Wer-Mit-Wem-Spiel nicht mehr mitmachen. Was soll ich tun? Reto, Journalist, 41 (aber durch Botox ca. 37)
Lieber Reto
Sie haben wahnsinnig Recht. Es ist ein Spiel. Man nennt es auch das Leiterlispiel. Gespielt wird es im Kindergarten. Und in grösseren Unternehmen. Je mehr Hierarchiestufen zu erklimmen sind, desto leidenschaftlicher wird gespielt. Und, es hört nie auf. Kaum wurde ein Sieger gekrönt, dreht das Karussell von Neuem. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Das ist anstrengend. Ermüdend. Ernüchternd. Enttäuschend. Besonders dann, wenn man nie gewinnt. Im Kindergarten endet das mit Tränen. Im Berufsleben mit Frust, Wut, Verzweiflung und nicht selten mit Depression und geknicktem Selbstwertgefühl. Doch vergessen Sie nicht: es ist ein Spiel. Natürlich geht es ums Gewinnen. Aber wenn Sie denen zuhören, die es zuoberst aufs Leiterli geschafft haben, erzählen sie selten, wie schön dünn die Luft da oben ist. Vielmehr schildern sie mit Pathos und Stolz, wie steil, wie steinig der Weg war, den sie raufgeklettert sind. Wie wahnsinnig müde sie zeitweise waren. Und wie kurz sie davor standen, den Bettel hinzuwerfen.
Ihre Freunde spielen offenbar immer noch mit. Mal etwas mehr, mal etwas weniger erfolgreich. Aber immer erfolgreich. Die haben das Glas immer halb voll. Vielleicht mit Alkohol. Vielleicht mit Kokain. Vielleicht aber einfach nur mit Leidenschaft und dem Glauben, dass in diesem Spiel auch ihr Würfel mal auf die Sechs fällt. Woher sie die Energie dafür haben? Fragen Sie nach. Sie sind doch Journalist. Schreiben Sie einen Artikel. Vielleicht macht er sie wahnsinnig erfolgreich. Ganz ohne Botox.
Mit einem Erfolgsrezept
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)
Wie eine Familie
Lieber Chef vom Ganzen. Ich arbeite in einer grossen Personalvermittlung (sagt man heute zwar nicht mehr, obwohl verständlicher als Human-Resource-Management). Das Erstaunliche ist, dass ich gerne hier arbeite. Es ist die erste Stelle, die ich länger als ein halbes Jahr mache, im Herbst sind es zwei. Mein Problem ist, dass ich das Gefühl habe, etwas zu verpassen, wenn ich hier sitzenbleibe. Immerhin habe ich studiert. Aber die Abteilung ist wie eine Familie. Ich klinge sentimental, ich weiss. (Lese Ihre Kolumne sehr gerne.). Tom, Sachbearbeiter, 30
Lieber Tom
Schon bald werden Sie Abschied nehmen. Ja, es wird weh tun. Man wird Ihnen von ganzem Herzen Glück wünschen. Denn man mag Sie, dort, wo Sie jetzt sind. Aufrichtig und ehrlich. Und trotzdem. Sie brechen auf, gehen weiter, um eine neue Welt zu entdecken. Bei einem neuen Arbeitgeber. Neue Aufgaben werden Sie erwarten. Neue Kolleginnen und Kollegen. Freuen Sie sich auf das Kribbeln im Bauch. Die Ungewissheit. Und das gute Gefühl, das Richtige zu tun. Das Richtige für Ihre berufliche Zukunft.
Sie verfügen über das Privileg, aus einem wunderbaren Umfeld heraus etwas Neues anzugehen. Das ist es, was sich alle Eltern für ihre Kinder wünschen. Deshalb tragen sie sie auf Händen, bevor sie auf eigenen Füssen stehen.
Aber Sie sind ja kein Kind mehr. Die positive Erfahrung bei der Personalvermittlung (okay, sagen wir Human-Resource-Management) im Rucksack macht Sie für Arbeitgeber äusserst attraktiv. Denn Bewerber, die aus Frust, Verzweiflung oder Not nach einer Stelle lechzen, hinterlassen meist ein zwiespältiges Gefühl. Man möchte ihnen einerseits helfen. Als vorbildlicher Arbeitgeber mit sozialem Gewissen. Sucht aber andererseits eigentlich nach jemandem, der einem selbst hilft.
Sie haben nach dem Studium und diversen schlechten Erfahrungen, die wir jetzt einfach ausblenden, endlich eine Stelle gefunden, die Ihnen Sicherheit, Bestätigung und Wohlbefinden bietet. Ich bin sicher, Sie werden viele Jahre lang an diese Abteilung zurückdenken. Mit Wehmut. Mit Bedauern. Mit einem Stich im Herz. Und sie dennoch als perfektes Sprungbrett nutzen, um in die nächste grössere Herausforderung einzutauchen.
Mit einem doppelten Salto
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY 3.0)