Kategorie: Business
Wie hoch ist die ideale Raumtemperatur im Büro?
Lieber Chef vom Ganzen. Seit Monaten bin ich hier im Büro mit der Kälte am Kämpfen. Ich habe immer kalt und die anderen immer heiss. Die anderen sind zwei ältere Herren, der eine ist übergewichtig aufs Gröbste und der andere ein Strich in der Landschaft. Jeden tag erfriere ich, hab mir ne Kuscheldecke gekauft, damit ich weniger kalt habe. Draussen sind es 25° und ich sitze im Büro mit einer Decke und heissem Tee. Wenn ich nett darum bitte, das Fenster zu schliessen heisst es, sie hätten heiss, ich sage ich hätte kalt. Von hinten kommt eine dritte (schlaue) Antwort, anziehen könne man sich immer, ausziehen nicht. Ich werde regelrecht „fertiggemacht“ mit diesem Fenster. Weiter haben sie noch einen Venti, der mir auch fast die Frisur zerstört. Halsweh gehört zur Tagesordnung und am Abend brauche ich eine heisse Dusche. Was soll ich tun? Hélène (47), IT-Support
Liebe Hélène
Sie sind kein Pinguin. Sie sind keine Skilehrerin. Sie arbeiten nicht in in einer Forschungsstation auf der Antarktis. Und auch nicht im Zoo. Man kann nicht von besonderen Arbeitsumständen sprechen. Somit gilt in der Schweiz die Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz vom 18. August 1993. In der unmissverständlichen Wegleitung des SECO heisst es zum Thema Raumtemperatur auf Seite 2 denn auch klar und deutlich:
«Die Raumtemperatur ist gemäss der Norm SN 520 180 die empfundene Temperatur in Raummitte. Die empfundene Temperatur – oft auch als operative Temperatur bezeichnet – ist ein mit der Luftgeschwindigkeit gewichteter Mittelwert zwischen der Lufttemperatur und der mittleren Strahlungstemperatur der Raumbegrenzungsflächen. Bei kleinen Luftgeschwindigkeiten ist die empfundene Temperatur vereinfacht der arithmetische Mittelwert der beiden genannten Temperaturgrössen. In der Tabelle 316-1 sind die Lufttemperaturen – abgestuft nach Art der Tätigkeit – aufgeführt, die für Räume angemessen sind, in denen die mittlere Temperatur der Raumbegrenzungsflächen etwa im Bereich der Lufttemperatur liegt und die Luftgeschwindigkeit gering ist.»
Zum Glück enthält die Verordnung eine für Bundesbern erstaunlich verständliche Tabelle:
– Art der Tätigkeit / Lufttemperatur
– Sitzende, vor allem geistige Tätigekeit / 21-23 Grad Celsius
– Sitzende, leichte Handarbeit / 20-22 Grad Celsius
– Leichte körperliche Arbeit mit Stehen und Fortbewegen / 18-21 Grad Celsius
– Mittelschwere körperliche Arbeit / 16-19 Grad Celsius
– Schwere körperliche Arbeit / 12-17 Grad Celsius
Für ein optimales Büroklima empfehle ich die Anschaffung eines Thermometers. Das schafft Fakten. Und gibt der Diskussion mit dem offenen Fenster eine neue Dynamik. Hängen Sie das Thermometer an prominenter Stelle im Büro auf. Und kleben Sie die Tabelle daneben. Sobald die Temperatur bei offenem Fenster unter 17 Grad fällt, müsste mit schwerer körperlicher Arbeit begonnen oder das Fenster geschlossen werden.
Oder Sie buchen eine Carfahrt in den Schwarzwald. Und ersetzen Ihre Kuscheldecke mit einer schönen, warmen Heizdecke.
Mit einem warmen Händedruck
Ihr Chef vom Ganzen
Der Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid
Lieber Chef vom Ganzen. Ich werde bald umstrukturiert. Eine inhaltliche Neuorientierung wie auch eine Selbständigkeit reizen mich sehr, ich muss aber drei Töchter co-ernähren. Ich hätte ein Angebot, in ähnlichem Umfeld weiterzuarbeiten. Mit einem reduzierten Pensum und damit Ressourcen für sanften Einstieg in die Selbständigkeit könnte ich mir das grundsätzlich vorstellen. Funktioniert eine solche halb-halb-Strategie oder betrüge ich mich selbst? Brauche ich einen (zweiten) Tritt in den Hintern für einen Herzentscheid oder ist diese Risikominimierung positiv-vernünftig? Merci für Weisheit vom Ganzen. Reto (40), Geschäftsführer
Lieber Reto
Der vielleicht grösste Fehler beim Pokern ist mitzuspielen. Vor allem Anfänger gehen und bieten zu oft mit. Auch mit schlechten Karten. Weil sie pokern wollen. Profis verwerfen 90 und mehr Prozent ihrer Karten. Die grosse Kunst heisst warten. Warten auf echte Chancen. Mathematische. Taktische. Psychologische. Den Rest besorgt die Glücksfee.
Genau so verhält es sich mit der beruflichen Selbständigkeit. Sie sollten kein Unternehmen gründen, weil Sie ein Unternehmen gründen wollen. Das scheitert meist bei der Suche nach einem guten Namen, einem Logo und spätestens bei der Homepage. Weil Sie nicht wissen, was sie schreiben sollen. Wie auch, wenn Sie nicht einmal wissen, wem sie was verkaufen wollen.
Ein (warum eigentlich) reduziertes Pensum in ähnlichen Umfeld annehmen und sich währenddessen auf die Suche nach einer guten Geschäftsidee machen, klingt positiv-vernünftig. Und ist es auch. Viel besser als ein Hals-Über-Kopf-Bauch-Herzentscheid alles auf Nichts zu setzen.
Im Rahmen Ihrer inhaltlichen Neuorientierung werden Sie irgend wann auf etwas stossen, das gleichzeitig Ihre Leidenschaft und bei anderen Menschen Bedürfnisse weckt. Genau dann spielen Sie mit. Erhöhen den Einsatz. Und setzen alles ein. Ihre Zeit, Ihr Geld, Ihre Kraft. Den Rest besorgt die Glücksfee. Und falls Ihnen gar nichts in den Sinn kommt, fragen Sie Ihre drei Töchter wofür Sie gerne Geld ausgeben. Ich bin sicher, irgend etwas davon wird Ihnen Spass machen.
Mit Royal Flush
Ihr Chef vom Ganzen
Von freundlichen und herzlichen Grüssen
Lieber Chef vom Ganzen. Immer wieder stelle ich fest, dass in geschäftlichen, internen (manchmal auch externen) E-Mails am Ende die Grussformeln „Herzlich“, „Herzlichst“ oder „herzliche Grüsse“ verwendet werden. Meiner Meinung nach sind diese in dem Zusammenhang wenig passend. Wie stehen Sie als sprachlich versierte Person zu dieser Frage? Caroline, Ingenieurin, 34
Liebe Caroline
Egal wie strikt Sie Geschäftliches und Privates trennen, wem Sie mit Herzlichkeit begegnen und wem Sie Ihr Herz schenken wollen, das bleibt Ihre persönliche Entscheidung. Heute bahnt sich jede zweite Liebesbeziehung am Arbeitsplatz an, heisst es. In Firmen mit offenem Internet liegt der Wert vermutlich noch höher, wenn man die Zugriffe auf Partnerplattformen mit einrechnet.
So herzlos und unpersönlich geht es in den allerwenigsten Arbeitsorten zu und her. Da werden Hunde gestreichelt, Fotos geteilt, Bildschirme dekoriert, Feierabende gefeiert und manche Abteilungen gehen sogar gemeinsam baden. Die Firma als Familie. Der Wunschtraum jedes Patron. Einer für alle, alle für ihn.
Dass bei so viel Harmonie intern nicht nur in der Kaffeepause, sondern auch in E-Mails herzlich gegrüsst wird, finde ich unproblematisch. Andernorts empfehle ich als unverfängliche Vorstufe zur Herzlichkeit die Freundlichkeit. Insbesonders im Umgang mit Kunden und Geschäftspartnern.
Konkret: Mit «Lieber Herr Muster» schreiben Sie nur Kontakte an, die Sie persönlich getroffen haben. Bei denen dürfen Sie sich bei gutem Geschäftsverlauf auch herzlich verabschieden. In den klassisch-konservativen Branchen (Finanzen, Industrie, Recht) und bei Ü50-Kontakten «Sehr geehrter Herr Muster» und «Mit freundlichen Grüssen» verwenden. Die ältere Generation schätzt formale Korrektheit. Haben die damals so eingetrichtert bekommen. Tipp für altersgerechte Power-Point-Präsentationen: Wählen Sie die Schriftgrösse immer mindestens halb so gross wie das Durchschnittsalter der Anwesenden.
Meine persönliche Geheimwaffe, das Reduit der Begrüssungsformeln sozusagen, lautet ganz neutral: «Grüezi Herr Muster». Als Romand, Tessiner, Franzose oder Italiener darf es auch ein «Bonjour Herr Muster» oder ein «Buongiorno Herr Muster» sein. Etwas heikler, aber nicht minder spannend, wird es jenseits der Schweizer Landessprachen: «Hello Mister Muster» oder «Konnichiwa Herr Muster». Im Zweifelsfall jedoch lieber in den sicheren, sehr geehrten Herr Hafen einschiffen.
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Miaua!
Lieber Chef vom Ganzen. Unsere Personalchefin hängt an ihre E-Mails an die Belegschaft immer Fotos oder sogar kurze Videos von herzigen kleinen Kätzchen an. Und das Hintergrundbild der Mails besteht aus rosa Katzenpfoten. Mein Problem ist, dass ich herzige kleine Kätzchen hasse. Jedenfalls in Form von kitschigen, gestellten Fotos und Filmen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich an mein Antwortmail ein Bild von Katzen an einem chinesischen Tiermarkt hänge. Da gibt es recht explizite Sachen im Netz. Das wäre doch ein klares Signal, oder? Remo, 28, Business Analyst
Lieber Remo
Es gibt kein Recht auf Haustierhaltung am Arbeitsplatz. Die Halter von Hunden, Katzen, Kanarienvögeln, Wüstenspringmäusen, Vogelspinnen, Meer- und und anderen Schweinchen sind dem Goodwill des Arbeitgebers ausgeliefert. Das gilt auch für Tiere in Mail-Anhängen, Bildschirmschonern und Hintergrundbildern.
Die meisten Unternehmen wünschen sich nichts sehnlicher als Mitarbeiter, die sich voll und ganz in die Firma einbringen. Mit ihrer ganzen Zeit und Persönlichkeit. Und da sich am ehesten voll einbringt, wer voll und ganz sich sein kann, tun Unternehmer gut daran eine Auge zuzudrücken. Zum Beispiel wenn Mitarbeiter nach dem dritten Feierabendbier ins Geschäft zurückkehren und die Krawatte des Vorgesetzten schreddern. Hauptsache, der Output stimmt.
Wer in der Kreativbranche gearbeitet hat, weiss: herzige kleine Kätzchen sind nur die Spitze des Eisbergs. Choupette Lagerfeld, die Katze von Karl Lagerfeld, hat sogar einen eigenen Twitter-Account. Üben Sie Toleranz. Bestimmt haben auch Sie eine Marotte mit denen Sie die Mitmenschen bewusst oder unbewusst zur Weissglut treiben.
Vom Versand einschlägiger Bilder aus chinesischen Tiermärkten rate ich Ihnen ab. Wir reden hier von Ihrer Personalchefin. Es sei denn Sie möchten statt ein Kätzchen eine Kündigung im Attachment öffnen.
Mit tierischen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Von A nach B
Lieber Chef vom Ganzen. Ich muss im Rahmen meiner Tätigkeit meistens sehr schnell von A nach B kommen, und in B gibt es meist zu wenig Parkplätze. Das Ergebnis sind Bussen für zu schnelles Fahren und falsches Parkieren. Das alles suche ich mir nicht aus, das liegt an der viel zu offensiven Termindisposition unseres Innendienstes. Ich habe die Bussen bisher immer selbst bezahlt, aber das kann es auf Dauer nicht sein. Soll ich sie künftig einfach wortlos bei der Buchhaltung abgeben? Oder für die durchschnittliche Bussenhöhe eine Lohnanpassung fordern? Gerry, 38, Aussendienstmitarbeiter
Lieber Gerry
Früher war alles besser. Vor allem im Jahr 1988. Da kam der Porsche 964 auf den Markt. Die Anzeige warb damals mit der Schlagzeile: «Sie können länger frühstücken. Sie sind früher zum Abendessen zurück. Gibt es ein besseres Familienauto?» Die Anzeige hätte statt Familienväter auch Aussendienstler direkt ansprechen können: «Sie haben mehr Zeit einen Parkplatz zu finden. Und sind schneller beim nächsten Termin.»
Der Porsche 964 konnte diesen Nutzen jedoch nur noch unter Strafe bieten. Denn seit dem 1. Januar 1985 beträgt das generelle Tempolimit auf Schweizer Autobahnen 120 km/h. Ob diese Strafe auf den Arbeitgeber überwälzt werden kann, hängt davon ab, ob die Busse als «notwendige Auslage» für die Berufsausübung im Sinne von Art. 327a OR gilt oder nicht.
Patrick Gründler, der Rechtsanwalt meines Vertrauens, meint, Bussen seien vom Betroffenen grundsätzlich selber zu bezahlen, da sie ein Fehlverhalten sanktionieren. Und da der Gesetzgeber rechtmässiges Verhalten des Einzelnen erwartet, können Bussen nicht als notwendige Auslagen betrachtet werden.
Entsprechend ist auch eine Überwälzung auf den Arbeitgeber nicht vorgesehen. Aus seiner Sicht ist es nicht einmal sicher, ob eine Überwälzung rechtlich überhaupt zulässig ist. Von gewissen Gerichte wurden Vereinbarungen, wonach Geschwindigkeitsbussen (eines Chauffeurs) vom Arbeitgeber (kulanterweise) übernommen werden, für unzulässig erachtet.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Blick auf die Steuerpraxis. Da öffnen sich immer wieder Schlupflöcher. Zum Beispiel im Kanton St. Gallen. Hier werden Parkbussen von den Steuerbehörden in den Erfolgsrechnungen der Unternehmen als «geschäftsmässig begründeter Aufwand» akzeptiert, nicht aber andere Verkehrsbussen. Parkbussen dürften nach dieser Praxis wohl auch aus arbeitsvertragsrechtlicher Sicht als «notwendig» gelten und auf den Arbeitgeber überwälzt werden.
Sie könnten Ihren Arbeitgeber ermutigen das Domizil in die Nähe der Olma zu verlegen. Der einfachere und sicherere Weg bleibt jedoch eine Berücksichtigung der Bussen über eine Lohnanpassung.
Apropos Arbeitgeber stellt sich noch eine andere Frage. Nämlich die, ob das Vorgehen des Innendiensts, permanent (zu) enge Terminpläne zusammenzustellen, nicht gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (Art. 328 OR) verstösst. Gemäss Rechtsexperte Gründler wird in letzter Zeit nämlich vermehrt diskutiert, ob den Arbeitgeber eine «Stresshaftung» treffen kann, wenn er seine Mitarbeiter permanent überfordert, indem er beispielsweise wie in diesem Fall laufend nicht erreichbare (Termin-)Ziele setzt. Die Hürden für eine solche Haftung sind jedoch hoch. Und voraussichtlich dürfte die Fürsorgepflicht für Sie keine Hilfe bieten.
Fazit: Vielleicht nehmen Sie einfach den Zug, sitzen stressfrei in der ersten Klasse sitzen und essen eine Olma-Bratwurst.
Mit Vollgas
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC 3.0)
Ein Pausengebet
Lieber Chef vom Ganzen. Wir haben in der Firma seit kurzem ein sehr straffes Pausenreglement. Mein Büronachbar behauptet nun, er sei zum Islam übergetreten und verschwindet fünf Mal pro Tag draussen, um zu beten. In Wirklichkeit kann er Mohammed nicht von Buddha unterscheiden und geht raus, um zu rauchen. Ich weiss nun nicht, ob ich ihn auffliegen lassen oder eine ähnliche Masche suchen soll. Kathrin, 29, grafische Gestalterin
Liebe Kathrin
Nicht nur Muslime haben es schwer in der Schweiz. Auch Raucher und andere Pausenclowns. Im Land der Uhren macht sich schnell unbeliebt, wer Zeit schindet. Und einfach mal so aus dem Büro verschwindet.
Obwohl Studien belegen, dass die Produktivität nach 45 Minuten konzentriertem Tun stark abfällt. Und es wirtschaftlich gesehen Sinn macht, den Arbeitstag in Häppchen zu bestreiten. So wie früher in der Schule. Eine Lektion nach der anderen. 45 Minuten E-Mails beantworten. Dann eine Ovomaltine. Oder ein Stossgebet Richtung Mekka. 45 Minuten Offerten schreiben. Dann ein Caramel Macchiato mit laktosefreier Sojamilch und Extra Shot. Oder ein Alpenbitter. Aber das ist ein anderes Thema.
Von einer Denunziation Ihres Büronachbars rate ich ab. Damit offenbaren Sie Ihren Vorgesetzten schlummerndes Potenzial als umsatzgefährdender Whistleblower. Besser Sie ziehen die aktuelle Hirnforschung bei, die Müssiggang als wichtige Voraussetzung für Produktivität belegt. Und begeistern Ihren Arbeitgeber für die Installation einer Pausenglocke.
Falls Sie damit auf Unverständnis und/oder an die Grenzen Ihrer Missgunst stossen, starten Sie in der Firma eine Initiative für ein Kopftuch-, Minarett- und Rauchverbot. Es mag lächerlich klingen. Aber in der Schweiz stehen die Chancen damit durchzukommen erstaunlich gut.
Oder Sie lassen sich vom Büronachbar anstecken. Und konvertieren ebenfalls. Sie steigern dank nebelreichen Gebetspausen Ihre Kreativität und Produktivität als grafische Gestalterin. Und schaffen damit beste Voraussetzungen für mehr Lob, Anerkennung, innerer Zufriedenheit und eine Lohnerhöhung.
Mit religiöser Innbrunst
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC-ND 3.0)
Unter ferner liefen
Lieber Chef vom Ganzen. In unserer Stadt wird jedes Jahr ein öffentliches Wettrennen durch die Altstadt durchgeführt. Unter anderem gibt es die Kategorie «Firmen». Unser Chef ist wild entschlossen, unseren Betrieb dort anzumelden. Wir sind eine sechsköpfige Belegschaft, und der Chef besteht darauf, dass alle mitmachen. Aus Werbegründen sollen wir einen hautengen Ganzkörperanzug in unseren Firmenfarben tragen. Ich bin 1.73m gross, 95 Kilo schwer, habe zwei lädierte Knie und bin schon fix und fertig, wenn mal der Lift in den 2. Stock ausfällt. Wie komme ich aus der Sache raus? Toni, 43, Elektroinstallateur.
Lieber Toni
Ihr Chef ist ein Marketing-Genie. Bei so einem Stadtlauf werden am Ende ja nur die drei bestplatzierten Firmen gefeiert und am Folgetag in der Zeitung vermeldet. Mit Gratis-PR und einem Pokal ist bei einer derart lädierten Truppe von Liftfahrern nicht zu rechnen. Ein ambitionierter Chef könnte also, wie es bei Plauschturnieren viele tun, den einen oder anderen Profi in die Mannschaft einwechseln. Oder er sorgt dafür, dass die Firma jenseits der sportlichen Leistung auffällt. Wobei ein paar leichtfüssige Afrikaner für beide Effekte gut wären.
Der atemberaubend enge Dress wird bei den Passanten einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Je nach Firmenfarben reicht es vielleicht sogar für das Foto in der Zeitung.
Sie müssen das olympisch sehen: dabei sein ist alles. Die Frage ist nur wie. Verbissen, kämpfend, schwitzend, ringend, röchelnd oder langsam, aber stetig und mit einem Lächeln. Nicht nur dem Sieger, auch dem Underdog fliegen die Sympathien zu. Und dann gäbe es ja immer noch die Möglichkeit, den Ganzkörperanzug auf den Kopf auszuweiten. Iron Man, im weitesten Sinne ebenfalls Elektroinstallateur, trägt ja auch Helm. In diesem Sinne empfehle ich: Augen zu und durch.
Mit elektrisierenden Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-ND 3.0)
Ciao Bello
Lieber Chef vom Ganzen. Ich durfte bis jetzt immer mit dem Hund ins Geschäft. Jetzt darf ich ihn aber nicht mehr mitnehmen, weil er das Baby der Chefin gebissen hat. Kann ich auf Gewohnheitsrecht appellieren? Yvonne (38), Versicherungsangestellte mit Bello (3), Golden Retriever
Liebe Yvonne
Tiere gibt es in jedem Geschäft. Man unterscheidet generell zwischen Nutztieren und Arbeitstieren. Aus den einen werden Steaks, Lasagne, Hamburger, Fischstäbchen, Käsefondue, Milch, Eier oder Chicken Nuggets. Und aus den anderen Chefs.
Ich bin sicher, Sie stimmen mir zu, dass Bello weder zu den einen noch den anderen Tieren gehört. Sondern zur Gattung der Haustiere. Und diese haben, so sagt es bereits der Name, im Unternehmen nichts verloren. Es gibt kein Recht auf Tierhaltung am Arbeitsplatz. Ein Hundeverbot im Grossraumbüro ist sachlich begründet und damit rechtlich in Ordnung. Sie sind also auf den Goodwill Ihrer Chefin angewiesen.
Und diesen haben Sie und Bello mit dem Babybiss verspielt. Als Eltern eines Baby steht die Angst vor Hunden hoch im Kurs. Auch deshalb, weil die meisten Hündeler die Problematik romantisch verkennen: «Ach nein, der macht nichts, der ist kinderlieb.» Vergessen wir nicht: ein Biss reicht um das Gesicht eines jungen Menschen für immer zu entstellen. Ich hoffe, Sie, Ihre Chefin und das Baby sind mit dem Schrecken davongekommen.
Anstatt auf Gewohnheitsrecht zu appellieren, empfehle ich Ihnen den Versuch, das Vertrauen der Chefin neu zu gewinnen. Das wird allerdings Monate, wenn nicht Jahre dauern. Oder Sie machen es auf die harte Tour und eröffnen ihr unter Tränen den Plan Bello einzuschläfern. Weil Sie während des Tages kein Plätzchen für ihn finden. Frischgebackene Mütter haben ein weiches Herz.
Mit Sitz und Platz
Ihr Chef vom Ganzen
Bild: 500px (CC BY-NC-ND 3.0)
Licht aus, Fenster zu
Lieber Chef vom Ganzen. Mir ist die Umwelt wichtig. Damit bin ich bei unserer Personalvermittlungsagentur allerdings der einzige. Wenn die Leute hier was trinken wollen, drehen sie den Wasserhahn im Pausenraum auf und gehen erst mal in Ruhe pinkeln, damit das Wasser danach schön kalt ist. Das Licht brennt sowieso permanent in jedem Raum, inklusive der Abstellkammer mit Putzmitteln und Kopierpapiervorrat. Geheizt wird permanent auf Volltouren bei offenen Fenstern. Ich habe mich mal hingesetzt und ausgerechnet, was wir bei vernünftigem Umgang mit Energie und Wasser sparen könnten und bin auf eine dreistellige Zahl pro Monat gekommen. Diese Bilanz würde ich gerne dem Chef vorlegen, denn Zahlen überzeugen ihn meistens. Ist das eine gute Idee oder droht mir danach Mobbing der anderen? Stefan K. (36), Personalberater
Lieber Stefan
Mit einer dreistelligen Zahl pro Monat locken Sie Ihren Chef leider nicht hinter dem geheizten Ofen hervor. Auch wenn jeder Rappen zählt, im Verhältnis zu den Lohnkosten bereiten die Aufwendungen für das Büro inklusive Strom und Wasser keinem Chef Kopfzerbrechen. Anders gesagt: Strom ist günstig. Viel günstiger als Mensch. Deshalb arbeiten in vielen Unternehmen bereits Roboter. Bei offenem Fenster, ohne Heizung, ohne Licht, ohne Wasser und ohne teure Mitarbeiteranlässe.
Wenn Sie das Thema auf die Menschen statt auf die Energie lenken, haben Sie bei Ihrem Chef vielleicht mehr Erfolg. Wussten Sie, dass die optimale Temperatur für Büroarbeit, also eine leichte Tätigkeit im Sitzen, 20 Grad Celsius beträgt? Bereits bei 28 Grad Celsius sinkt die Leistungsfähigkeit um fast ein Drittel, bei 33 Grad Celsius auf 50 Prozent. Die Heizung neu so einzustellen, dass nie mehr als 20 Grad erreicht werden, dürfte damit leicht zu argumentieren sein.
Das Thema Licht lösen Sie mit Energiesparlampen. Gibt ja gar keine anderen mehr zu kaufen. Und dann besorgen Sie sich ein paar Wasserhahnaufsätze von AquaClic und sparen im Büro so mehr als die Hälfte des Wassers ein.
Das Gute an diesen Massnahmen: Sie brauchen nicht mehr ständig darauf zu achten, ob jemand das Licht brennen, das Wasser laufen oder das Fenster offen lässt. Und können sich wieder voll und ganz auf Ihre Arbeit konzentrieren. Ihr Chef wird sich freuen, wieder den vollen Return auf sein Investment (Ihre Lohnkosten) zu erhalten.
Viel Energie wünscht Ihnen
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Maarten Scholtheis (CC BY-NC-ND 3.0)
Dulden oder Diebstahl?
Lieber Chef. Letzthin habe ich einen privaten Brief in unseren Postausgang im Büro gelegt und prompt ein schlechtes Gewissen gehabt. Da gibts ja noch viele ähnliche Beispiele. Ein paar Seiten für den Schulvortrag des Sohnes farbig im Büro ausdrucken, beim Büromaterial einen Leimstift oder Druckerpapier für zuhause mitgehen lassen, private Telefonate mit dem Geschäftsanschluss führen. Laut Gesetz ist das Diebstahl, das ist mir schon klar. Aber irgendwie machen das doch alle, oder? Was tolerieren Sie in Ihrem Betrieb? Wo hört das Dulden auf, wo fängt der Diebstahl an? Herzlichst, Simone (28), Buchhalterin
Liebe Simone
Gesetz ist Gesetz. Und Geschäft ist Geschäft. Aber es gibt nichts, was der Chef lieber mag als Angestellte, die auch ausserhalb der Geschäftszeiten an das Geschäft denken. Und sei es nur, dass im Geschäft halt der bessere Kopierer steht als zu Hause. Ist doch schön, dass das Geschäft etwas zu bieten hat, das auch privat von Nutzen ist.
Also alles kein Problem. So lange es im Rahmen bleibt. Um für diesen Rahmen ein Gefühl zu kriegen, insbesondere wenn die Kopiertätigkeit regelmässigen Charakter annimmt, empfehle ich ein persönliches Gespräch. Äussern Sie ganz direkt, welche Infrastruktur Sie wie häufig gut gebrauchen könnten. Und welch grossen Nutzen Sie, Ihre Kinder und Ihre Verwandten in Australien daraus ziehen. Ihr Chef wird diese Zusatzleistungen grosszügig dulden, wenn Sie im Gegenzug beim nächsten Lohngespräch kulant sind. Denn was in einem Unternehmen wirklich relevante Kosten verursacht, sind weder der Drucker, noch das Telefon, noch der Computer, noch die Mietkosten fürs Büro und auch nicht die Stabilo Bosse. Es sind die Löhne.
Nehmen wir einen Betrieb mit 15 Mitarbeitenden und alle verdienen CHF 6000.- brutto pro Monat. Das generiert mehr als eine Million Lohnkosten. Ich meine eine Million Schweizer Franken. Jedes Jahr. Wer träumt nicht davon, im Lotto eine Million zu gewinnen? Das ist verdammt viel Geld, das der Chef jedes Jahr ausbezahlt. Und er muss noch einiges mehr davon reinholen, damit sein Unternehmen überhaupt rentiert.
Wenn jeder Mitarbeitende jeden Arbeitstag eine Farbkopie für sein Kind nach Hause bringt, kostet das, wenn eine Farbkopie mit einem Franken zu Buche schlägt, pro Jahr 3600 Franken. Soviel kostet ein schönes Weihnachtsessen. Als Buchhalterin wissen Sie das noch besser als ich.
Wenn also alle im Geschäft einfach unbedarft und ungefragt kopieren, Stifte nach Hause transferieren und telefonieren auf Geschäftskosten, ist nicht der Betrieb in Gefahr. Wohl aber das Weihnachtsessen, der Firmenausflug und vor allem der Goodwill der Geschäftsleitung. Es geht um Vertrauen. Sie leisten etwas für den Betrieb. Und er etwas für Sie. Deal or no Deal?
Mit freundlichen Grüssen
Ihr Chef vom Ganzen
Photo by Mike Gabelmann (CC BY-NC 3.0)